Der Tote am Hindenburgdamm: Ein Sylt-Krimi (German Edition)
machen?«, vernahm Asmus plötzlich eine Stimme. Er wandte sich um. Ein drahtiger kleiner Kerl hatte seinen Kopf zwischen ihn und Ose gezwängt und wartete mit gebleckten Zähnen auf ihre Reaktion. Sie wirkte zu Stein erstarrt.
»Nehmen Sie die Beleidigung zurück, oder ich zeige Sie an«, erklärte Asmus wütend und setzte seinen Tschako auf. »Ich nehme Sie auch gerne gleich mit ins Revier, wo Sie Ihre Aussage machen können.«
»Dazu haben Sie kein Recht«, stammelte der Kerl, überrascht durch den Anblick der Polizeiuniform. »Fragen Sie nur den Genossen Sinkwitz. Eine Person wie dieses Weib hat hier nichts zu suchen. Die will Sabotage üben!«
Genosse! Auch dieser unflätige Kerl war Kommunist. Vor einigen Wochen erst hatten diese Leute im Rheinland für Ausschreitungen und Plünderungen gesorgt. Gott behüte, dass sie jetzt auch hier einen Aufruhr anzettelten. »Unsinn! Zu dieser Baustelle haben behördliche Mitarbeiter der Insel Sylt und ihre Begleiter jederzeit Zugang! Das weiß selbstverständlich auch Hauptwachtmeister Sinkwitz. Hingegen vermute ich, dass Sie sich auf dieser Baustelle illegal aufhalten. Oder arbeiten Sie etwa hier?«
Dem Genossen liefen Schweißtropfen an den Schläfen entlang und versickerten in einem grauen Halstuch. Sein Blaumann war sauber und sah eher nach Verkleidung als nach Schutzkleidung aus. Im Augenblick war er ein in Bedrängnis geratener Komplize des obersten Kommunisten der Insel. Er schwieg.
»Sind Sie vom Festland?«, fragte Asmus scharf.
»Aus Flensburg.«
»Dann rate ich Ihnen, so schnell wie möglich dorthin zurückzufahren.Leute wie Sie brauchen wir hier nicht. Wie heißen Sie?«
»Ferdinand Schröder.«
»Und als was arbeiten Sie?«
»Werftarbeiter.«
»Nun gut. Ich werde Herrn Sinkwitz über einen Ferdinand Schröder informieren, der sich hier illegal agitatorisch betätigte. Ich werde darauf bestehen, dass Ihnen verboten wird, die Insel in Zukunft zu betreten. Wenn wir das im Tagesprotokoll festhalten, wird auch Herr Sinkwitz Sie nicht mehr aus Parteifreundschaft schützen können.«
Der kleine Kerl warf Asmus einen feindseligen Blick zu und verschand. Asmus wurde abgelenkt, weil ihm auffiel, dass Sinkwitz seine Rede beendet hatte, von der Tonne heruntergesprungen war und inzwischen mit einem Mann in Arbeitskleidung tuschelte.
Asmus hätte es nicht gekümmert, wenn der unbekannte Kerl nicht seine volle Aufmerksamkeit auf ihn gerichtet hätte. Ein Kerl wie ein Schrank, er glotzte zu Asmus herüber, nickte und schüttelte nach einer Weile den Kopf. Aus der Ferne sah es aus, als empfange er Befehle von Sinkwitz.
»Du hast mir ja gar nicht gesagt, dass der Agitator mein eigener Chef ist. Kennst du zufällig den Mann neben Sinkwitz?«, raunte Asmus in Oses Ohr.
»Sicher. Jörn Frees, ein dorfbekannter Taugenichts, der in Keitum wohnt. Er schlägt sich so durch als Tagelöhner oder treibt sich herum, wenn er keinen findet, der Verwendung für ihn hat. Aber seitdem es die Baustelle gibt, arbeitet er manchmal hier. Warum interessiert er dich?«
»Ich weiß es nicht. Ein Gefühl. Sie reden über uns. Die Frage ist, meinen sie dich oder mich? Oder uns als Gespann?«
»Komm, lass uns gehen, wenn du genug gesehen hast. Mir ist nie wohl, wenn ich hier bin.«
»Ose! Wie kam denn dieser Flensburger Drahthaarterrier dazu, dich in solcher Weise zu beleidigen?«, fiel Asmus ein und ließ auf sich beruhen, dass sie seine Fragen nicht beantworten wollte.
Ose winkte ab. »Solche Häme schütten sie über uns alleaus, die sich um die Natur kümmern. Natürlich nur, wenn man nicht in Begleitung eines Polizisten ist. Unsere Gruppe ist ja bekannt. Selbst den alten Herrn Avenarius attackieren sie als Spinner. Sie kennen unsere Vorbehalte gegen den Damm und glauben, wer das Kliff gerettet hat, schafft es auch, den Bau des Damms zu verhindern, wenn er will. Sie fürchten um ihre Arbeitsplätze – es ist schließlich ein riesiges Bauvorhaben. Und wer ist in diesen Zeiten nicht dankbar für Arbeit und Lohn?«
»Aber ihr wollt den Dammbau gar nicht verhindern.«
»Wir können es nicht. Wir sind einzelne Leute ohne jede Macht – ausgenommen ein wenig den Herrn Avenarius – und treten an gegen den geballten Willen des preußischen Staates und der Interessenten. Außer den Kaufleuten und Hoteliers der Insel sind da noch die Geldgeber aus ganz Deutschland, die wir nicht einmal kennen. Wir wissen aber, dass Musikhallen, Bäder und Kurhäuser in Planung sind, die viel Geld bringen
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