Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Tote am Lido

Der Tote am Lido

Titel: Der Tote am Lido Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Foersch
Vom Netzwerk:
des Laptops. Es gab weder Schubladen noch Bücherregale. Wo sollte Lunau suchen? Und was? Er brauchte einen Hinweis auf das Versteck, und er brauchte eine aktive Handynummer. Er schaute im Adressbuch des Festnetztelefons nach, wurde aber nicht fündig. Vielleicht unter den Rechnungen? Michaels Korrespondenz steckte im Unterschrank eines Vitrinenschranks. Mit einer einzigen Bewegung fegte Lunau den ganzen Wust heraus, der über den Boden flatterte. Wohin er sah - Rechnungen, Kontoauszüge, Buchungsbelege. Nicht ein privater Brief. Er suchte unter den Rechnungen nach Telefonanbietern.Michael benutzte mehrere Handys, wahrscheinlich wechselte er die Nummern ständig. Falls er nur mit Prepaid-Guthaben telefonierte, würde Lunau keine Rechnung und keinen Hinweis auf den Anschluss finden. Tatsächlich entdeckte er nur Gas-, Strom- und Nebenkostenabrechnungen für das Apartment. Nicht eine Telefonrechnung. Logisch, er wickelt wahrscheinlich alles übers Internet ab, dachte Lunau und kehrte ins Wohnzimmer zurück. Auf dem Computer leuchtete inzwischen eine Maske, mit der das Betriebssystem nach einem Passwort verlangte.
    Lunau versuchte es mit Michaels Namen in einem numerischen Code, mit Michaels Geburtsdatum, er mixte die Buchstaben von »Michael Duhula« mit Ziffern aus dem Geburtsdatum, wurde aber immer wieder abgewiesen. Also versuchte er es mit verschiedenen Varianten von Joys Namen. Er rief Amanda an und fragte sie nach Joys Geburtsdatum, mixte wieder Ziffern mit Lettern, hatte aber keinen Erfolg.
    Er wurde immer hektischer. Inzwischen hatte er zwanzig Minuten in der Wohnung vergeudet. Er wollte den Rechner schon wieder ausschalten, als sein Blick auf ein Poster von Joy fiel. Sie war in einem knappen bunten Kleid zu sehen, barfuß, mit einer Kette aus Holzperlen. Ihre fast kreisrunden Augen starrten ihn schlicht und unbekümmert wie die eines Kleinkindes an. Als wäre er Teil einer verheißungsvollen, freundlichen Welt. So simpel kann Michael nicht gestrickt sein, dachte er, gab aber trotzdem »JOY« ein, und da erschienen die nigerianische Flagge und eine Menüleiste.
    Lunau öffnete den Internetbrowser und rief den Verlauf auf. Michael hatte sich zuletzt Seiten von Hifi-Großhändlern und Versandhäusern für Nahrungsergänzungsmittel angesehen. Proteine und Wachstumshormone. Er schien an einem Bilderbuchkörper zu arbeiten. Das letzte Mal war Michael vor zwei Stunden im Netz gewesen. Lunau hatte ihn also knapp an seiner Wohnung verfehlt. Und was hatte Michael am Nachmittag vor Saras Entführung getan? Lunau suchte im Browser-Verlauf und rekonstruierte Michaels Tagesablauf. Bis achtzehn Uhr hatte er im Netz gesurft. Danach musste er direkt ans Meer gefahren sein, um Sara zu kidnappen. War das denkbar? Hatte er nicht Silvia und die Kinder beobachtet und den günstigsten Augenblick abgepasst? War es denkbar, dass jemand im Internet surft und sich dann spontan entschließt, ein Kind zu entführen? Was war das für ein Mensch? Was war das für eine Entführung?
    Eine merkwürdige Kälte fuhr Lunaus Arme hoch. Und wenn er sich verrannt hatte? Wenn jemand anderer hinter der Tat steckte? Welche Hinweise auf Michael hatte Lunau denn?
    Kurz vor der Entführung war Michael auf Facebook gewesen. Zwei Stunden lang. Lunaus Phantasie spielte verrückt.
    Wenn jemand anderer Sara entführt hatte, wieso forderte er dann Joy? Wurde Michael als Sündenbock benutzt? Aber wozu? Von wem? Von Meserets Mörder, der von sich ablenken wollte? Egal welche Theorie durch Lunaus Hirn irrlichterte – eine war so abstruswie die andere. Er hatte keine andere Wahl, als an der Michael-Theorie festzuhalten.
    Lunau öffnete dessen Facebook-Profil, und da wusste er, dass er den entscheidenden Treffer gelandet hatte. Bei Facebook hieß Michael King Conan. Aus diesem Profil würden sich Michaels Gewohnheiten, seine besten Freunde und wahrscheinlich sogar die Handynummer, die er aktuell benutzte, destillieren lassen. Da hörte Lunau wieder das zweifache Piepsen, das eine SMS ankündigte. In der Stille war es ein so schrilles Geräusch gewesen, dass er zusammenfuhr.
    »Um zwei Uhr an der Brücke über den Canal Logonovo. Joy gegen Sara. Komm allein, sonst ist Sara tot.«
    Lunau überlegte. Der Canal Logonovo lag sechzig Kilometer entfernt, an der Küste, er trennte den Lido degli Estensi vom Lido di Spina. Lunau sah auf die Uhr. Er hatte eine Stunde. Eine knappe Stunde brauchte er für die Autofahrt. Blieben ein paar Minuten. Ein paar Minuten, um einen

Weitere Kostenlose Bücher