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Der Tote am Lido

Der Tote am Lido

Titel: Der Tote am Lido Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Foersch
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Hinweis auf das Versteck oder eine Handynummer zu finden.
    Lunau las die letzten Nachrichten, die Michael gepostet hatte. Lobeshymnen auf einen nigerianischen Rapper und einen amerikanischen DJ, die demnächst durch Italien touren würden. Außerdem zu einer Kampfsportveranstaltung in Bologna. Michael wollte sich dort in zwei Tagen mit Freunden treffen.
    Lunau sprang in den Rubriken hin und her und fand keine persönlichen Angaben. Wie konnte man in die Tiefe des Profils eindringen? Wo waren die sensiblen Daten?
    Wieso hatte er sich immer geweigert, sich mit Facebook zu beschäftigen?
22
    Sara war mehrmals eingeschlafen, aber der Schmerz in ihren Handgelenken weckte sie wieder auf. Zuerst hatte sie versucht, mit den auf den Rücken gefesselten Händen an die Schrauben zu kommen. Unmöglich, solange sie sich nicht von dem Kabelbinder befreit hatte. Aber wie sollte sie das tun? Eine Zeitlang hatte sie ihn über eine scharfkantige Muffe gezogen, mit der ein Rohr an der Wand befestigt war. Aber nachgegeben hatte nur ihre Haut. Sie spürte das Blut, das warm über ihre Finger lief. Sie musste die Schlinge abstreifen, ehe das Blut gerann, schaffte es aber nicht.
    Sara legte sich auf den Bauch und streckte die Arme in die Höhe, damit die Blutgefäße abschwollen. Als sie eine Hand aus der Fessel ziehen wollte, hörte sie einen Motor. Dann ein Scheppern. Sie kannte das Geräusch. Es war ein schwerer Schlüsselbund, der gegen das Metalltor schlug. Jemand schloss die Halle auf, die an ihr Verlies grenzte. ER war zurückgekommen. Allein.
    Sara warf sich auf den Boden und drehte sich auf den Rücken. Sie musste ihre Hände verstecken und sich schlafend stellen, die Blutspuren verdecken. Sie sah nach der Luke unter der Decke. Kein Licht. Es war Nacht. Stille. Dann kamen wütende Schläge aus der Halle. War ER wütend auf sie?
    Plötzlich war es wieder still. Ein Bass wummerte los, Techno-Musik, die schlagartig verstummte. ER hatte alles versucht, jetzt würde ER kommen. Und tatsächlich wurde das Schiebetor bewegt, schnell und heftig. ER hatte schlechte Laune. Seine Füße auch. Die Tür wurde aufgeschlossen. Sara schloss die Augen. Und konnte durch ihre Lider den Lichtkegel einer Taschenlampe erkennen. Wenn er den Nagel entdeckte? Sie hatte ihn an der Tür liegen lassen, unter dem Scharnier. Er musste nur den Blick ein wenig heben, und dann sah er die Kratzer im Holz. Wenn er das Blut auf dem Beton sah? Die Spur bis hinter ihren Rücken verfolgte? Wenn du zu fliehen versuchst, bist du tot, hatte ER gesagt. Wenn du brav hier wartest, bekommst du zu essen und darfst wieder nach Hause.
    Der Sand unter seinen Schuhen knirschte. Sie kannte seinen Geruch. Ein Gemisch aus einem süßlichen Parfüm und beißenden Gewürzen. ER stank nach Schweiß, aber sie erkannte IHN. Sie erkannte sein Parfum und seine schweren, tumben Schritte. Sein Atem kam näher, strich heiß und widerlich über ihren Nasenrücken, über ihre Schläfen, an denen die Haare klebten. Ihr Brustkorb pumpte viel zu schnell. Sie versuchte, so langsam zu atmen, als schliefe sie, aber dann würgte ein Hustenreiz in ihrem Hals. Sie spürte, wie ihr Kopf rot wurde und wie die Adern an ihrem Hals anschwollen. Sie schnappte nach Luft und machte ein Seufzen daraus, dann ließ sie die Luft langsam aus ihren Lungen entweichen. Der Lichtstrahl traf sie jetzt voll. Sie sah das rote Blut in ihren Augenlidern, auf die ER die Taschenlampegerichtet hatte. Sie musste sich zwingen weiter zu atmen, während seine Füße direkt neben ihren Ohren standen und sie seine Socken riechen konnte.
    In diesem Moment wusste sie, dass sie sterben würde. Sie würde vielleicht ihren Vater wieder sehen, ihre Mutter nicht. Wie gerne hätte sie ihr gesagt, dass es ihr leid tat, dass alles ihre Schuld war. Sie hatte sich nicht einmal verabschiedet. So wie ihr Papa gegangen war, ohne ein Wort. Sie sah ihn plötzlich in erschreckender Schärfe. Seine Lippen bewegten sich, aber sie konnte ihn nicht verstehen. Hinter ihm war der Grill, von dem Rauch aufstieg. Der Ball flog an seinem Kopf vorbei und landete auf dem Fisch, dessen Auge weiß und stumpf war. Der Vater schwenkte die Grillzange und lachte, lachte immerzu, obwohl er verboten hatte, neben dem Grill Fußball zu spielen. Ich sage es euch nur einmal, hatte er gedroht. Und jetzt sagte er tatsächlich nichts mehr. Stattdessen lachte er, schwenkte die Grillzange und schnappte nach ihren Nasen, während die Mutter schreiend über das Gras rannte.
    Die

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