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Der Tote am Lido

Der Tote am Lido

Titel: Der Tote am Lido Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Foersch
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Strandbades erreicht hatte, Richtung Süden begann eine Piste, die sich durch Schilf und Dünen schlängelte. Lunau schaltete die Scheinwerfer aus und ließ den Wagen langsam über den weichen Sand rollen. Von links kam das Rauschen der Dünung, von rechts, aus dem Röhricht, die heiseren Schreie eines Raubvogels und das monotone Zirpen der Grillen. Die Piste endete an einem letzten Strandbad, Giamaica. Dahinter lag ein Naturschutzgebiet mit wildem Strand, Brackwasserlagunen und Brutstätten von Wasservögeln. Lunau kannte sich darin gut aus, denn er war hier jeden Morgen entlanggetrabt. Er stellte den Motor und den Ton seines Handys ab. Dann schlich er sich im Schutz des Schilfgürtels weiter. Am Ende der Piste stand ein alter BMW, an dem zwei Gestalten lehnten. Sie rauchten und redeten leise miteinander. Zwei Schwarze, einer war dick und klein, der andere ebenso dick, aber größer. Michael war nicht dabei. Das komplizierte die Sache.
    Er spürte das Vibrieren seines Handys in der Hosentasche. Saschas Nummer leuchtete auf. Lunau schlich rückwärts durch das Schilf und erreichte das Auto. Er setzte sich hinein, schloss leise Tür und Fenster und rief zurück.
    »Warum bist du nicht rangegangen? Hör zu, ich hab’s«, sagte Sascha.
    Lunau sah durch die Windschutzscheibe. Die beiden Silhouetten umrundeten das Auto und verschwanden aus seinem Sichtfeld. Es war elf Minuten nach zwei.
    »Ich habe in dem Profil eine Handynummer gefunden. Sie ist aktiv.«
    »Ja, und?«
    »Das Handy ist eingeschaltet.«
    »Wo ist es?«
    »Nicht weit von dir. In einem Dorf namens Long – ast – ri – no.«
    »Woher weiß du, dass es nicht weit von mir ist?«
    »Weil ich dich auch geortet habe. Ihr liegt ungefähr zehn Kilometer auseinander.«
    Lunau überlegte. Das hieß, mindestens zehn Minuten, vorausgesetzt, er fand Michael gleich.
    »Wie genau kannst du die Nummer orten?«
    »Ich habe eine Zielgenauigkeit von hundert Metern im Quadrat.«
    »Das nennst du Genauigkeit? Ich brauche mindestens zehn Minuten bis nach Longastrino, und auf einem Hektar gibt es wahrscheinlich Dutzende Gebäude.«
    »Er ist nicht im Dorf. Er ist irgendwo außerhalb. Das scheint flaches Terrain zu sein, extrem dünn besiedelt. Da gibt es nur ein, zwei Gehöfte. Ich habe es mir auf Google Earth angesehen.«
    Lunau hatte den Motor gestartet und legte den Rückwärtsgang ein.
    Als er außer Sichtweite des BMW war, trat er das Gaspedal durch. Der Panda schlingerte in dem weichen Sand, Lunau kuppelte, zog die Handbremse an und machte eine 180-Grad-Kehre. Dann bat er Sascha, ihn zum Zielort zu dirigieren. Wie lange würden Michaels Kumpane warten, ehe sie Verdacht schöpften und ihren Anführer informierten? Lunau hatte eine Asphaltstraße erreicht, der kleine Drei-Zylinder-Motor jaulte, dasChassis sprang über die vom Wurzelwerk der Pinien gewellte Fahrbahn. Als er auf die Romea bog und endlich eine Gerade vor sich hatte, piepste sein Handy wieder. Eine SMS war eingegangen. »Hast du dich verfahren, du blindes Huhn? Die Sandpiste verläuft parallel zum Strand. Wir stehen beim Strandbad Giamaica. Du hast noch fünf Minuten.«
24
    Das Planquadrat war durchzogen von einem Schachbrettmuster aus Bewässerungskanälen und Schotterpisten. Eine ebene Fläche, darauf Krüppelweiden in gespenstischen Spalieren, Strommasten. In der Ferne erhob sich ein Gebäudekomplex im Mondlicht. Zwei kubische Lagerhallen. Lunau fuhr mit abgestellten Scheinwerfern über den Feldweg. Das alles dauerte viel zu lange. Und doch wünschte er sich, nie an diesen riesigen, scharfkantigen Hallen anzukommen. Was sollte er unternehmen, wenn Michael vor ihm stand? Lunau hatte jahrelang Kampfsport trainiert, aber außerhalb des Ringes hatte er nie einen Menschen verletzt. Es kostete eine enorme Überwindung, in das Gesicht eines anderen zu schlagen. Und wenn er Michael töten musste?
    Er würgte diese Phantasien ab, versteckte den Wagen in einer Brombeerhecke und rannte los. Es war zwanzig nach zwei. Die fünf Minuten waren längst verstrichen.
    Das Gelände war mit einem verrosteten, brüchigen Maschendrahtzaun umgeben. Lunau setzte darüber hinweg und lief auf den Stellplatz zwischen den Hallen. Sie waren etwa gleich groß, aus Fertigteilen zusammengesetzt, über den Toren prangte jeweils die Aufschrift »Bellocchio Srl«. Lunau kannte die Firma nicht. Die Halle zur Rechten war dunkel, in der linken brannte Licht. Ein verschrammter weißer Mercedes parkte davor. Lunau legte eine Hand auf die

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