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Der Tote am Lido

Der Tote am Lido

Titel: Der Tote am Lido Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Foersch
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Sie drehte sich um und fragte: »Soll ich es Ihnen auf den Tisch stellen?«
    Er lächelte und zerrte an der Hundeleine. »Psst, Sammy, du bekommst nachher dein Fresschen.«
    Der Hund passte zu seinem Herrchen. Eine Promenadenmischung mit Rattenohren und struppigem Fell. Der Köter versuchte, an Amanda hochzuspringen, aber der Alte riss ihn immer wieder energisch an der Leine zurück.
    »Ich bringe ihn raus«, sagte er entschuldigend und warf einen Blick auf die Box, von dessen Inhalt der Hund wohl gewöhnlich seinen Anteil bekam.
    Er schloss das Tier ins Bad ein und kam zurück in die Küche. Als er sah, dass Amanda die Kunststoffbehälter mit erstem, zweitem Gang und Nachtisch bereits um seinen Teller gruppiert hatte, war er verblüfft und geschmeichelt. »Das wäre nicht nötig gewesen.Ich habe Zeit, und Sie müssen weiter. Das weiß ich von Ihrer Vorgängerin, Sabrina.«
    Er setzte sich hin, griff nach der Gabel und hielt dann inne. »Wo ist Sabrina eigentlich?«
    »Sie fährt jetzt eine andere Tour.«
    Er nickte, betrachtete Amanda und wagte nicht, mit dem Essen anzufangen.
    »Bitte, es ist sowieso nur noch lauwarm«, sagte sie.
    Der Alte stach in die Farfalle con pesto, führte die Gabel zum Mund und sah Amanda wieder an. »Kann ich Ihnen etwas anbieten?«
    Amanda schüttelte den Kopf und betrachtete den Wollpullunder des Mannes. Spürte er die Hitze nicht?
    »Ich meine, nicht das hier«, er zeigte mit kreisendem Zeigefinger auf das Essen auf Rädern.
    »Nein danke.«
    »Ein Glas Saft?«
    Amanda schüttelte den Kopf, wischte sich den Schweiß von der Stirn und sagte: »Wasser vielleicht?«
    Der alte Mann wollte aufspringen, aber Amanda kam ihm zuvor. »Wo sind die Gläser?«
    Er deutete auf einen Hängeschrank, sie holte ein Glas, hielt es unter den Wasserhahn und erkannte im Sonnenlicht die Fettränder. Sie achtete darauf, dass er ihre Hände nicht beobachten konnte, während sie das Glas auswischte und frisches Wasser einlaufen ließ. Amanda setzte sich dem Mann gegenüber und nippte an dem Wasser, das ebenfalls nach Suppennudeln und überzuckertem Apfelbrei schmeckte.
    »Geht es Ihnen besser?«, fragte der Alte lächelnd.
    Sie nickte und dachte, so also sieht ein Feigling aus. Jemand, der ein Verbrechen beobachtet hat, der gesehen hat, wie Polizisten einen wehrlosen Jugendlichen umbringen, und der um seines persönlichen Vorteils willen schweigt.
    Was hatten Sie ihm geboten? Geld? Eine billige Sozialwohnung?
    Sie sah in die wässrigen Augen des Mannes, die unter den Schlupflidern müde und gierig hervorblickten. Was genau hatten diese Augen gesehen? Ich war gegen drei Uhr wach geworden und hörte Lärm von der Straße. Nachdem ich meine Blase erleichtert hatte, fiel mir das Blaulicht auf, das über die Wände meiner Wohnung kreiste. Von der Straße kamen verzweifelte Schreie: »Aufhören, ich flehe euch an. Ich kann nicht mehr. Helft mir, bitte, helft mir.« Ich ging ans Küchenfenster.
    Amanda trank das Glas aus und trat ans Fenster, dessen Rollladen zur Hälfte herabgelassen war. Sie sah den schmalen Grünstreifen, auf dem Marco gestorben war. Und der alte Mann, der seine Nudeln aufgegessen hatte und jetzt das Hacksteak in kleine Rechtecke schnitt, während sein Hund im Bad winselte, hatte den Mord beobachtet. Er wusste, was vor der ganzen Stadt verheimlicht wurde.
    »Was tut sich da unten?«, fragte er.
    »Nichts«, antwortete Amanda. Sie wusste nicht, wie sie die Sprache auf jene Nacht bringen sollte.
    Der Alte trank von seinem Bier, stellte das Glas ab und kniff die Augen zusammen. Er musterte Amanda.Hatte er sie erkannt? Trotz der braven Frisur und den unscheinbaren Kleidern, die sie heute trug? Hatte er sie auf dem Grünstreifen beim Blumengießen gesehen?
    »Ich muss dann los«, sagte sie. Der Alte wollte sich erheben, aber sie wehrte ab. »Ich finde alleine raus, danke. Vergessen Sie Ihren Hund nicht.«
    »Wie könnte ich, bei dem Spektakel, das er veranstaltet?«
    Amanda ging hinaus in die finstere Diele. An der Garderobe hingen nur zwei Überzieher des Mannes. Nichts deutete auf eine andere Person in seinem Leben hin. Auf eine Frau, Kinder oder Enkel. Er liebte niemanden, außer sich selbst. An den Wänden ein paar Kalenderbilder von Ferrara, eine Formation der SPAL, der Ferrareser Fußballmannschaft, aus den siebziger Jahren und drei handbemalte Motivteller, wohl auf einer Busreise nach Süditalien erstanden.
    »Bis morgen dann«, rief Amanda.
    »Bis morgen.« Amanda erschrak. Der Mann war hinter

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