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Der Tote am Lido

Der Tote am Lido

Titel: Der Tote am Lido Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Foersch
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und gleich wieder entzogen?«
    Der Bürochef schaute sich um und sagte: »Fräulein Daldini, Sie können jetzt wieder auf Ihren Platzzurück.« Das Mädchen warf einen giftigen Blick in die Runde und ging, wobei sie der Tür beim Schließen mehr Schwung gab als nötig. Der Bürochef drückte Lunau die Hand. »Dottore Cabrini«, sagte er. Lunau stellte sich ebenfalls vor, während Cabrini sich lässig auf einen niedrigen Aktenschrank setzte und das Spielbein schaukeln ließ. »Wir können uns an Meseret erinnern, weil das alles so ein ungewöhnlicher Fall war.«
    »Inwiefern?«
    »Na ja, ein Schwarzer, der eine Pachtkonzession beantragt.«
    »Was ist daran ungewöhnlich?«
    Cabrini und Frau Bacilieri wechselten einen Blick. »Ja, gute Frage. Es kam einfach nie vor.«
    »Warum?«
    »Darüber können wir hier in Bologna nur spekulieren. Wissen Sie, die Muschelzucht ist ein ganz besonderes Gewerbe.«
    »Muschelzucht?«
    Cabrini und Frau Bacilieri sahen einander an.
    »Ja, Muschelzucht. Was sollte er sonst in der Lagune züchten?«
    Lunau dachte einen Moment nach. Sein vager Verdacht, Meseret könnte Land gepachtet haben, um Drogen anzubauen, hatte sich schon wieder zerschlagen, ebenso seine Hoffnung, Michael auf dem Grundstück aufzuspüren. Es sei denn …
    »Gibt es auf dem Wasser irgendwelche Pfahlbauten, Schwimminseln oder Ähnliches?«
    »Ich verstehe nicht recht«, antwortete Cabrini. »Was spielt das für Sie für eine Rolle?«
    »Keine. Aber Sie wollten mir erklären, warum diese Antragstellung von Meseret Zahié so ungewöhnlich war. Weil die Muschelzucht sehr viel Know-how erfordert?«
    »Unter anderem.«
    »Und was ist das andere?«
    »Wie gesagt. Wir sitzen hier in Bologna. Goro, das ist eine ganz andere Welt. Schon die Provinz Ferrara ist für uns fremdes Terrain.«
    »Sie beginnt dreißig Kilometer von hier.«
    »Ja, sicher.«
    »Sie haben mir immer noch nicht gesagt, was das Andere ist.«
    »Welches Andere?«
    »Sie hatten gesagt, die Muschelzucht erfordere unter anderem viel Knowhow. Was erfordert sie noch?«
    »Beachtliche Investitionen und …«
    »Und?«
    Bleiernes Schweigen setzte ein. Das Gebläse des Computers rauschte, man hörte eine Uhr durch die Wand ticken. Cabrini ruckte auf seinem Stuhl hin und her, schaute zu Boden, schaute Frau Bacilieri an, schließlich sagte er: »Wir hatten uns so gefreut, als Meseret seinen Antrag stellte.«
    »Und warum haben Sie ihm dann die Konzession wieder entzogen?«
    »Das ging von ihm selbst aus. Er hat sie zurückgegeben. Der Brief, den Sie mitgebracht haben, ist lediglichdie formelle Bestätigung. Die brauchte er für die Restzahlung seiner Pacht.«
    Lunau versuchte seine Gedanken zu ordnen. »Meseret beantragt eine Konzession, was einer Sensation gleicht. Er bekommt die Konzession und gibt sie nach wenigen Monaten wieder zurück?«
    »Genau.«
    »Kam so etwas oft vor?«
    »Was?«
    »Dass jemand eine Konzession zurückgibt?«
    »Nein. Eigentlich nie.«
    »Aber trotzdem scheint es Sie in Meserets Fall nicht besonders überrascht zu haben. Das hat mit dem Anderen zu tun, was man noch braucht, außer Knowhow und Kapital, oder? Weiße Haut?«
    »O nein. Verstehen Sie das nicht falsch. Die Muschelzüchter von Goro sind sicher keine Rassisten.«
    »Sondern?«
    »Eine verschworene Gemeinschaft. Seit Generationen sind in dem Dorf alle Fischer.«
    »Was hat das mit der Muschelzucht zu tun?«
    »Die Muschelzucht hat den Fischfang weitgehend ersetzt.«
    »Und da duldet man keine Fremden.«
    »So will ich das nicht sagen.«
    »Wann hat Meseret denn seine Konzession zurückgegeben?«
    Frau Bacilieri tippte wieder auf ihrer Tastatur und schob ihren Kopf an den Monitor. »Am 27. August kam ein Brief von ihm«, sagte sie.
    Unmittelbar vor seiner Ermordung. Aber wenn er sich mit seiner Lizenz Feinde gemacht haben sollte – warum brachte man ihn dann um, nachdem er die Lizenz zurückgegeben hatte? Das alles ergab keinen Sinn.
    »Könnten Sie mir den Brief kopieren? Und auch den Antrag, den er im November gestellt hatte?«
    Frau Bacilieri sah ihren Chef an. Dieser nickte. Sie entschuldigte sich bei ihm, weil sie ihn vom Aktenschrank vertreiben musste, zog eine Lade auf, holte eine Kladde heraus und verschwand damit durch die Tür. Cabrini lächelte Lunau etwas verkrampft an. Dann streckte er ihm die Hand hin und sagte: »Hat mich gefreut. Wenn Sie sonst noch Fragen haben …« Er wollte gehen, aber Lunau erwiderte: »Habe ich.«
    Cabrini zog eine Braue hoch.
    »Wann wird die

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