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Der Tote am Lido

Der Tote am Lido

Titel: Der Tote am Lido Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Foersch
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Sein Boot war strahlend weiß lackiert und hieß »Musa«.
    Gianella bog in die Zuchten ein, Lunau zog sich zurück und holte seinen Feldstecher hervor. Die Züchter verteilten sich auf ihre Claims. Sie alle taten dasselbe. Sie standen aufrecht an Bord und machten sich an Körben und Winden zu schaffen. Schließlich entdeckte Lunau den hellblauen Fleck wieder. Während die meisten Fischer zu zweit arbeiteten, stand Gianella allein auf seinem weißen Boot. Laut Lageplan auf Claim X 23/233 b. Mit einer Motorwinde holte er einen mit Venusmuscheln gefüllten Metallkorb an Bord. Der Korb sah aus wie ein aus Stahlstangen geformtes Skelett einer Baggerschaufel, ein Schaufelsieb. Durch die Zwischenräume flossen Wasser und Sand ab, während die größeren Muscheln und Algen in dem Gitter hängenblieben. Gianella riss die giftgrünen Blätter heraus und schmiss sie ins Wasser zurück. Der volle Muschelkorbpendelte sanft, im Rhythmus der Dünung, an seinem Drahtseil. Gianella griff sich den Korb, zog ihn heran und kippte den Inhalt auf eine Art Werkbank. Innerhalb weniger Minuten musste Gianella rund dreißig, vierzig Kilo Muscheln an Bord geholt haben. Immer wieder ließ er den Korb hinab auf den Meeresgrund, schleppte ihn im Vorwärtsgang wie einen Pflug hinter sich her, und dann holte er ihn per Winde wieder hoch. Die Muscheln prasselten auf das kleine Gefährt, rasselten über die Werkbank, durch deren Raster die kleineren Tiere rutschten. Die größeren fielen in Plastikstiegen, die Gianella in der Mitte des Bootes stapelte.
    Lunau drehte am Gashebel, glitt durch die Pfähle hindurch und drehte bei. »Guten Tag, Herr Gianella«, rief er.
    Gianella hatte ihn kommen sehen, aber offensichtlich nicht erkannt.
    »Ich glaube nicht, dass das Ihre Parzelle ist.«
    »Ist es.«
    »Sie wissen genau, dass Meseret sie gepachtet hat.«
    Gianella sah sich hektisch um. »Nicht hier.«
    »O doch. Sie werden jetzt aufhören, mir Rührstücke von Ihrem armen, einsamen Mieter zu erzählen. Meseret war klüger als ihr alle zusammen. Er wusste genau, was diese Muscheln wert sind, und er hat sich eine Konzession besorgt. Für genau diese Parzelle, die Sie gerade plündern. Meseret hat das ganze Jahr über die Arbeit gemacht, hat gesät, den Grund gepflegt und die Tiere aufgezogen, und Sie fahren jetzt die Ernte ein.«
    »Sie verstehen gar nichts«, sagte Gianella. »Das ist immer meine Parzelle gewesen. Ich selbst habe dafür gesorgt, dass Meseret sie zugesprochen bekommt. Ich habe ihm die nötigen Papiere besorgt, habe ihm alles erklärt.«
    »Und warum ist er jetzt tot? Und ausgerechnet Sie profitieren von seiner Arbeit?«
    Gianella sah sich wieder um. In der nächsten Parzelle schaukelte ein Boot in der Dünung, dessen Motor verstummt war.
    »Macht der Ärger?«, rief ein großer bärtiger Mann herüber.
    »Nein, schon gut«, erwiderte Gianella und fügte, an Lunau gewandt, hinzu: »Kommen Sie nachher zu mir nach Hause. Ich kann hier nicht reden. Oder besser: Kommen Sie morgen, heute Abend habe ich zu tun.«
    Gianella startete wieder den Motor der Winde und ließ den Korb ins Wasser. Dann schrieb er Lunau eine Adresse auf ein ölverschmiertes Stück Papier. Lunau steckte den Zettel ein, warf seinen Motor an und legte ab.
40
    Balbonis Stimme klang euphorisch. Lunau saß in seinem Auto und schaute über die graue Wasserfläche, auf der sich die Abendsonne rot und breit niederließ. Er hatte ein Sandwich in der Hand und trank dazu eine Flasche Wasser.
    »Dieser Michael Duhula ist wirklich selten bescheuert.Er saß bei seinem besten Kumpel auf dem Balkon.«
    »Hat er ein Geständnis abgelegt?«
    »Wir haben ihn noch nicht offiziell vernommen. Ich wollte Ihnen nur schnell Bescheid sagen. Sie können Ihre Suche einstellen.«
    »Wie kommen Sie auf die Idee, dass ich ihn suche?«
    Balboni lachte und legte auf.
    Wenige Minuten später kam Gianella in den Hafen. Er vertäute sein kleines Motorboot, deckte es mit einer Plane ab und ging zu einem Fiat Uno. Lunau folgte ihm. Diego Gianellas Haus befand sich in einem Viertel, das zum Hafen hin lag. Hier war nichts von neureichem Prunk zu sehen. Graue, mit Aluminiumfenstern versehene Häuschen aus den siebziger Jahren, kleine Vorgärten und Straßen im Schachbrettmuster. Gianellas Haus wirkte abweisend und trist. Alle Fensterläden waren geschlossen. In der Einfahrt stand ein Kleinwagen auf einem Backsteinsockel, der die verschmorten Reifen ersetzte. Auf der Gartenmauer waren Schmierereien, die man

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