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Der Tote am Lido

Der Tote am Lido

Titel: Der Tote am Lido Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Foersch
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Konzession wieder ausgeschrieben?«
    »Schon geschehen.«
    »Und gibt es Bewerber?«
    »Ja.«
    »Wen?«
    »Das darf ich Ihnen nicht sagen.«
    »Wie viele?«
    »Das darf ich Ihnen auch nicht sagen. Das ist ein vertrauliches Verfahren.«
    »Aber nicht mehr vertraulich ist, wer die Parzelle vor Meseret gepachtet hatte.«
    Frau Bacilieri kam mit den Kopien zurück, befeuchtete ihren Zeigefinger, rückte die Brille mit den dickenGläsern auf ihrer grazilen Nase zurecht und blätterte in der Akte.
    »Doch«, fiel Cabrini ein und legte seine Hand auf den Akt.
39
    Das Gemeindegebiet von Goro ragt, hinter dem Sumpfwald von Bosco Mesola, wie eine lange schmale Klaue in das Wasser der Adria. Sie bildet den letzten Zipfel der Emilia-Romagna, einen Ausläufer der Landzungen, die der Po mit seinen Sedimenten in die Adria geschoben hat. Viertausend Einwohner, die sich in einem Trichter unterhalb des Meeresspiegels bewegen und nach allen Richtungen von Deichen und Pumpwerken gegen Adria- und Flusswasser verteidigt werden.
    Am Ortsrand fiel Lunau ein Neubaugebiet mit großen, in Signalfarben gestrichenen Einfamilienhäusern auf. Himbeerrot, Zitronengelb, Dunkelviolett, Mintgrün. Pompöse Freitreppen, Arkadengänge und hangarartige Doppelgaragen zieren die Häuser. In den Einfahrten teure Wagen. Die Wagen in den Garagen wohl noch teurer.
    Wer sich in Goro kein Haus leisten kann, ziehe nach Bosco Mesola, hatten die Alten im Nachbardorf gesagt. Also doch kein Witz.
    In ganz Europa war die Fischerei in der Krise. Nur in Goro nicht.
    Im Mai war Lunau schon einmal in dem Ort gewesen.Damals hatte er nach einer Werft gesucht, die für Vito Di Natale eine schwimmende Mühle baute. Das Projekt, mit dem dieser sich mächtige Feinde gemacht hatte. Lunau fuhr zu den beiden alten Männern, die die Werft betrieben, die ihn damals mit dem Feuerlöscher niedergeschlagen und ihm später bei der Lösung des Falles geholfen hatten. Bereitwillig liehen sie ihm ein Boot.
    Die Sacca di Goro, die Lagune, lag vor dem Hafen als weite graue Fläche, die durch eine Unzahl schwarzer Pfähle in imaginäre Rechtecke, Verbindungswege und Freiflächen zerfiel. Hin und wieder ein Pfahlbau. Ob Michael sich dort versteckt hielt?
    Lunau drehte am Gashebel des Außenborders, der Bug stieg in die Höhe, und mit einem hohen Singen trieb der kleine 4-PS-Thomson-Motor das Boot über die flachen Wellen. Das Geheimnis des Reichtums in Goro war eine exotische Venusmuschelart. Nirgendwo sonst auf der Welt wuchs die Tapes philippinarum mit derselben Geschwindigkeit und Zuverlässigkeit wie in der Sacca. Und die Tapes philippinarum war kostbar. Kam daher Meserets plötzlicher Wohlstand? Aber warum hatte er dann seine Konzession zurückgegeben?
    Der Rumpf klatschte sanft auf die gekräuselte See. Lunau schaute auf den Lageplan, den Cabrini ihm ausgedruckt hatte. Die gesamte Lagune, 26 Quadratkilometer, war in winzige Claims aufgeteilt, die von den Muschelzüchtern gepachtet und von Genossenschaften überwacht wurden. Die Zuchten waren fast unsichtbar. Die Venusmuscheln wuchsen nämlich nicht,wie Miesmuscheln, an Pfählen oder Seilen, sondern schlichtweg auf dem sandigen Meeresgrund. Man säte drei Mal im Jahr, ließ sie wachsen und erntete sie dann. Das Dorf setzte nach offiziellen Angaben hundert Millionen Euro im Jahr legal mit seinen Muscheln um. Der Schwarzmarktanteil sollte noch einmal das Doppelte betragen.
    Alle Goresi waren an der Muschelzucht beteiligt. Aber wo waren sie? Lunau verließ den durch Pfähle markierten Schifffahrtskanal und bog in das Labyrinth der Claims ab. Es gab keine Beschriftungen, für ein ungeübtes Auge war nur ein Gewirr aus morschen vertikalen Rundhölzern zu erkennen.
    Alle paar Hundert Meter überragte ein Pfahlbau die See. Eine rechteckige Plattform, auf der eine Baracke stand. Wenn Lunau den Plan, den er in Händen hielt, richtig interpretierte, dann war er jetzt auf dem Terrain der Genossenschaft Pesce azzurro, das als hellblauer Klecks, der größte auf der Skizze, eingezeichnet war. Er kam an einem Boot vorbei, auf dem zwei Fischer standen und großblättrige Algen von einem Seil rissen. Sie sahen Lunau misstrauisch an und reagierten lustlos auf seinen Gruß. »Wieso ist hier niemand?«, fragte Lunau.
    »Was meinen Sie?«
    »Es gibt hier doch 1200 Muschelzüchter. Warum arbeiten die nicht?«
    Die beiden zuckten mit den Achseln und sagten: »Wir arbeiten.«
    Lunau fuhr weiter und glaubte schließlich, Meserets Claim, X 23/233 b, gefunden zu

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