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Der Tote am Lido

Der Tote am Lido

Titel: Der Tote am Lido Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Foersch
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brauchten die kleinen Jollen, die offensichtlich nur in den Lagunen fischten, 80 oder gar 120 PS? Und warum gab es so wenige Fischkutter, dafür aber unzählige von diesen kleinen, schnellen Booten? Dienten sie zur Muschelzucht? Aber musste man hinter den Muscheln herjagen?
    Lunau hörte, wie der Vizepräsident die Versammlung eröffnete und in einem langwierigen Verfahren die Beschlussfähigkeit feststellte. Er dachte immer wieder an De Santis und versuchte, über das Internet an Informationen zu kommen. Den Nachnamen De Santis fand er in über einer Million Einträgen, Totò De Santis in 43 216. Die meisten führten nach Süditalien. Er suchte nach der Nadel im Heuhafen. Während Diego Gianella das Wort erteilt wurde, rief Lunau Hendrik, einen jungen Kollegen von »Solidarnews«, an, der sich auf das Organisierte Verbrechen in Italien spezialisiert hatte. Aber dieser Freund konnte ihm nicht weiterhelfen. Einen Totò De Santis kannte er nicht.
41
    Nach nur einer halben Stunde war die Versammlung beendet. Lunau packte seine Geräte ein und lief um die Halle. Ein dichter Pulk drängte aus dem Eingang, zerstreute sich in kleine Gruppen von schweigenden Männern. Nur einer war ganz allein: Gianella. Lunau ging auf ihn zu und sagte: »Guten Abend.«
    Gianella ignorierte ihn einfach, ging zu seinem Wagen und öffnete die Tür, die nicht abgeschlossen war.
    »Sie haben mich angelogen«, sagte Lunau.
    »Ich hatte gesagt, wir sprechen uns morgen.«
    »Was haben Sie mit De Santis zu schaffen?«
    »Sind Sie wahnsinnig? Nicht hier«, zischte Gianella durch die Zähne.
    Lunau sah sich um. Die Fischer hatten ihre Fahrzeuge erreicht. Einer machte die anderen auf Gianella und Lunau aufmerksam, und alle starrten herüber.
    »Wo dann?«, fragte Lunau.
    »Bei mir zu Hause. Morgen.«
    »Ich muss jetzt mit Ihnen reden.«
    Gianella sah ihn müde und geistesabwesend an, riss ihm den Wagenschlag aus der Hand, knallte die Tür zu und schoss davon. Lunau lief zu seinem Wagen und folgte.
    Wovor hatte Gianella Angst? Und warum war er soeben als Präsident seiner Genossenschaft zurückgetreten? Unter allgemeinem Beifall?
    Gianella fuhr nicht zu seinem Haus, sondern in ein Gewerbegebiet, hielt vor einer fabrikartigen Halle, blieb eine Weile in seinem Wagen sitzen und starrte vor sich hin. Er legte den Kopf aufs Lenkrad, als ob er Kraft sammeln oder sich ausweinen wollte, und nach zehn Minuten stieg er aus. Mit einer Fernbedienung öffnete er das Schiebetor des Fabrikhofes und betrat den dunklen Bürotrakt. Lunau folgte, rüttelte an der Tür, durch die Gianella verschwunden war, aber das Büro war verschlossen. Er umrundete die Halle, in der die Notbeleuchtung brannte, aus der aber kein Laut drang. Auf der Längsseite, an der LKW und Gabelstapler neben meterhohen Türmen aus Plastikkörben parkten, war ein Warenzugang, der nur von steifen, vertikalen Plastiklamellen verschlossen war. Lunau schob sie auseinander und trat in das Gebäude. Kühle Seeluft schlug ihm entgegen. Wasser gluckste, Transformatorenbrummten. Die Halle war so groß wie ein Fußballfeld und beherbergte vier Flutungsbecken, in denen Körbe mit Venusmuscheln unter Wasser standen. Mit einem Klicken sprangen Neonröhren an und tauchten die Halle in frostiges Licht. Gianella kam herein und ging auf den Wareneingang zu. Lunau duckte sich zwischen die Becken. Gianella trat an einen Kommandostand mit Steuerungspaneelen und einem Computerbildschirm. Er fuhr den Rechner hoch und rief Graphiken auf, deren Bedeutung Lunau aus der Ferne nicht entschlüsseln konnte. Er stand auf.
    »Herr Gianella«, sprach er den Fischer an.
    Dieser zuckte zusammen, drehte sich um und schien fast erleichtert, Lunau zu sehen. Er protestierte nicht.
    »Es tut mir leid, aber Sie müssen mir sofort helfen«, sagte Lunau und zeigte ihm Michaels Foto auf dem Display des Handys. »Haben Sie diesen Mann einmal mit Meseret zusammen gesehen?«
    Gianella schien zu resignieren. Er sah das Bild lange an und schüttelte dann den Kopf.
    »Haben Sie ihn überhaupt schon einmal gesehen?«
    Gianella schüttelte wieder den Kopf.
    »Sind Sie sicher?«
    »Absolut.«
    Lunau ließ den Blick über den Computermonitor gleiten und sah Graphen, mit denen die Wasserqualität in der Sacca di Goro aufgezeichnet wurde.
    »Wissen Sie, wie lange ich gebraucht habe, um dieses perfekte System aufzubauen?«
    Gianella ließ seinen Blick durch die Halle schweifen.»Das ist einzigartig auf der Welt. Von der permanenten Wasserkontrolle bis zur

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