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Der Tote am Lido

Der Tote am Lido

Titel: Der Tote am Lido Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Foersch
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und wusste, dass das ein Fehler war. Er führte sich vor Augen, dass dieses Mädchen aus Oberflächlichkeit eine Entführung verursacht hatte, dass ihretwegen die Seele eines achtjährigen Kindes verstümmelt war.
    Amanda ließ den Kopf hängen. »Ich erwarte nicht, dass du mich verstehst … Seit Marco tot ist, habe ich keine Nacht mehr durchgeschlafen. Meine Eltern machen mich krank.«
    »Warum ziehst du nicht aus?«
    »Ich versuche es.«
    »Indem du bei mir einziehst?«
    Amanda zwinkerte nicht, sie weinte nicht. Sie sah ihn einfach nur an. Und er merkte, wie er weich wurde, ärgerte sich darüber und wurde noch weicher.
    »Eine Nacht, ich bitte dich.«
    »Von mir aus. Zimmer haben wir hier genug.«
43
    Das Surren der Elektromotoren und die Rufe der Arbeiter echoten durch das Kühlhaus. Eine Palette krachte auf den Betonboden, Gennaro Tarantella tauchte zwischen zwei Türmen aus Weinkartons auf und gab Lunau mit einem Klemmbrett einen Wink. »Hier bin ich.«
    Lunau fror. Er hatte lange geschlafen und war trotzdem übermüdet. Der Schweiß, den er von draußenmitgebracht hatte, lag eisig auf seinem Rücken. Tarantella schlitzte mit einem Tapetenmesser einen Karton auf und nahm eine Flasche Rotwein heraus. Wieder fiel Lunau auf, dass sein Arm einen merkwürdigen Knick beschrieb.
    »Das ist ein Nero d’Avola. Aus Sizilien. Eine kleine Sozialgenossenschaft bewirtschaftet die Ländereien, die einst der Cosa Nostra gehörten und vom Staat beschlagnahmt wurden. Ich versuche, diese kleinen, ehrgeizigen Projekte zu unterstützen und führe die Erzeugnisse auf dem hiesigen Markt ein. Sie werden begeistert sein.«
    Lunau nahm den Wein und bedankte sich.
    »Die jungen Leute von der Sozialgenossenschaft arbeiten in ständiger Bedrohung. Man sabotiert ihre Arbeit, man füllt ihnen Zucker in die Tanks der Traktoren, die Weinberge werden angezündet. Und außerdem boykottiert der Großhandel ihre Produkte. Man muss eine Bresche schlagen. Aber Sie sind wohl nicht wegen meiner Weine gekommen?«
    Lunau schüttelte den Kopf.
    »Bitte.« Tarantella führte ihn in einen Blechcontainer, der neben der Lagerhalle stand. Dort hatte er ein spartanisches, angenehm klimatisiertes Büro eingerichtet. Er wies Lunau einen Platz vor dem Schreibtisch an und setzte sich selbst dahinter. »Was kann ich für Sie tun? Sind Sie mit Michael Duhula weitergekommen?«
    Lunau nickte. »Aber ich bin nicht wegen Duhula da.«
    »Sondern?«
    Lunau sah sich in dem Kühlhaus um. Neben Wein, Oliven und Käse gab es Körbe mit Venusmuscheln, die zu meterhohen Türmen aufgebaut waren. »Wegen Diego Gianella.«
    Tarantella war sichtlich überrascht. Er zuckte mit dem Kopf und lächelte. »Sie kennen ihn?«
    »Natürlich. Wir sind Partner. Er steht für ein einzigartiges Modell: das ›Modell Goro‹, ein biologisches Wunder, der seltene Glücksfall, dass Ökologie und Ökonomie harmonieren. Gianella vertritt genau das, was ich als Händler fördern möchte.«
    Lunau dachte nach. »Ich hatte den Eindruck, dass Gianella nicht sehr beliebt ist in Goro.«
    Tarantella hob eine Augenbraue.
    »Man scheint ihn eingeschüchtert zu haben.«
    »Gianellas Methode erfordert permanente, geduldige Arbeit. Es gibt immer Idioten, die nach billigen Abkürzungen suchen. Die Goresi müssen sich seit dreißig Jahren des unlauteren Wettbewerbs der Raubfischer erwehren. Wenn die Muscheln ausgewachsen sind, ziehen diese einfach los und ernten die Muschelbänke ab. Wo immer sie sie finden. In verschmutzten Kanälen und Hafenbecken – oder gleich in der Lagune von Goro.«
    »Sie meinen, die Raubfischer klauen auch aus den legalen Zuchten?«
    »Sie räubern überall. Und da sie geringe Kosten haben, können sie sich Waffen und schnellere Boote leisten.«
    Lunau fielen die überdimensionierten Außenborder ein, die er an den kleinen Schaluppen der Züchter hatte hängen sehen. Es fand also eine Art Wettrüsten auf dem Wasser statt.
    »Und außerdem können sie ihr Produkt zu Schleuderpreisen anbieten. Sie schaden dem ›Modell Goro‹ doppelt. Durch Raub und durch die Dominanz auf dem Markt.«
    »Und Sie stemmen sich gegen diese Dominanz?«
    Tarantella nickte. »Man muss den Goresi helfen. Sie stehen für genau das Prinzip, das ich verteidigen will. Sie sind eine Genossenschaft, treffen Entscheidungen gemeinsam, verteilen die Gewinne gerecht.«
    »Solange es Gewinne zu verteilen gibt.«
    Tarantella verzog keine Miene. Wusste er nicht, dass Gianella abgesetzt worden war?
    »Wie weit würde

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