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Der Tote am Lido

Der Tote am Lido

Titel: Der Tote am Lido Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Foersch
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Gianella gehen, um sein Modell zu schützen?«
    Tarantella schaute verwirrt. »Nun, er hat sein gesamtes Kapital, seine ganze Lebensenergie in dieses Modell investiert.«
    »Und wenn das plötzlich auf dem Spiel stünde?«
    »Ich weiß nicht, was Sie meinen.«
    »Würde Gianella auch Gesetze brechen, um sein Modell zu retten?«
    »Das ist ein Widersinn. Das Modell beruht auf Legalität.« Tarantellas Ton bekam eine andere Note. Lunau war auf vermintes Gelände geraten. Aber traute er selbst denn Gianella einen Mord zu?
    »Ich habe den Eindruck, dass Gianella suspektenElementen Einfluss auf die Genossenschaft gewährt.«
    Tarantella schwieg. Er blickte auf seine Hände, die nebeneinander auf dem Schreibtisch lagen. »Geht es ein wenig genauer?«, fragte er schließlich.
    »Totò De Santis.«
    Tarantella war sichtlich verstört, auch wenn er seine Erregung hinter einer Maske der Professionalität zu verbergen trachtete. Er starrte weiter auf seine Hände und schwieg, während das Blut in seinen Kopf schoss.
    »Was wissen Sie über ihn?«
    »Unsere Biographien weisen, wie soll ich sagen …«, er schnaubte verächtlich, »… gewisse Berührungspunkte auf. Wir stammen aus demselben Ort. Und nun sind wir beide hier. Er scheint eine Art Fluch für mich zu sein. Er versucht jetzt, im Norden den seriösen Geschäftsmann zu spielen, aber auch hier spielt er natürlich nach eigenen Regeln.«
    »Was meinen Sie damit?«
    »Seine Waren kommen aus undurchsichtigen Kanälen, und sie verschwinden auf ebenso undurchsichtige Weise.«
    »Welche Waren?«
    »Die Markenartikel, die aus süditalienischen und chinesischen Fälscherwerkstätten stammen und von den Schwarzen verkauft werden. Oder die erwähnten Muscheln, die illegal gefischt werden und zu Schleuderpreisen den Markt überschwemmen.«
    »Sie sind also Konkurrenten?«
    Tarantella nickte. »Ich setze mich für die saubere Ware ein, er für die unsaubere.«
    »Aber wer kauft denn mit Umweltgiften und Bakterien belastete Muscheln?«
    »Zwischenhändler, die irgendwo an der Straße ihr Zeug absetzen, Gastronomen, die es nicht so genau nehmen mit der Herkunftskontrolle. Man haut die Tiere in die Pfanne, kocht sie ab und hofft, dass die Bakterien absterben. Dann ordentlich Knoblauch und Chili dazu, und der Tourist schmeckt nicht, was er isst. Der Löwenanteil geht aber nach Süditalien, wo die Leute sich keine Gedanken darüber machen, dass in der Lagune von Venedig der Dreck des Chemiewerkes von Porto Marghera landet.«
    »Und Ihre Muscheln?«
    »Wie gesagt, ich kaufe ausschließlich in Goro. Klar, dass dort das Produkt nicht zum selbem Preis zu haben ist.«
    »Und können Sie mit Ihrer Strategie überleben?«
    »Momentan ist es schwierig. In Krisenzeiten achten alle nur noch auf den Geldbeutel. Die Qualität ist zweitrangig. Aber ich habe zum Glück meinen guten Draht zum Pesce Azzurro.«
    »Entschuldigen Sie, aber es ist doch ein merkwürdiger Zufall, dass De Santis und Sie aus derselben Gegend in Süditalien stammen und jetzt beide hier in Ferrara sind.«
    »Das ist kein Zufall.«
    Lunau schwieg. Tarantellas Gesicht wirkte plötzlich leblos, sein Blick verlor sich auf der kahlen Wand. »Wie Sie wahrscheinlich wissen, habe ich mich in meiner Heimat einmal gegen die falschen Leute gestellt.Ich war gerade mit meinem Wirtschaftsstudium fertig, da wurde mein Vater krank, und ich übernahm seine beiden Pizzerien. Ich sollte Schutzgeld zahlen und weigerte mich. Die Folge war, dass man mir eine Pizzeria ansteckte. Ich blieb stur, man zündete die zweite an. Als ich immer noch hart blieb, lauerte man mir auf und brach mir den Arm. Ich bin nun einmal ein Dickkopf. Ich dachte, die Kuh, die man melken will, schlachtet man nicht. Dann starb mein Sohn. Und das werde ich mir nie verzeihen. Ich konnte mich damit brüsten, mich nicht gebeugt zu haben. Aber was ist das schon, gemessen am Leben des eigenen Kindes? Wie sollte ich meiner Frau jemals wieder in die Augen sehen?«
    Der Frau, die zu Hause in ihrem Wohnzimmer saß, in einer therapeutischen Wolke aus Düften und Barockklängen.
    »Und als Sie in den Norden gezogen sind, kam De Santis Ihnen nach?«
    »Umgekehrt. Ich folgte ihm. Wissen Sie, bei uns im Süden herrschen merkwürdige Gesetze. Viele Dinge pfeifen die Spatzen von den Dächern, man bezahlt die Spatzen sogar dafür, dass sie singen, aber man wird niemals Beweise finden für das, was sie pfeifen. Jedem in Palma Campania ist bekannt, dass De Santis meinen Sohn von der Brücke

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