Der Tote am Lido
Pachtgrundstück zu kommen.
Die Yacht hatte eine große Kabine mit Salon, zwei Schlafzimmern, zwei Bädern, einer Kombüse und einer Kommandobrücke.
Gianella sprang an Bord und wählte die Nummer eines Freundes aus Kindertagen: Pietro, der überzeugt war, er habe seinen Job bei der Küstenwache Gianella zu verdanken, weil dieser ihm als Grundschüler das Schwimmen beigebracht hatte. Aber Pietro saß beim Abendessen und hatte keinen Zugriff auf den Computer. Er versprach, noch einmal ins Büro zu fahren und dann zurückzurufen.
Gianella setzte sich auf die Bordwand, legte seine Hand auf die Reling aus Edelstahl und schaute sich um. Die Yacht hatte getönte Scheiben, die Planken waren aus Teakholz, in der Kabine konnte man die Designermöbel erahnen. Gianella rüttelte an der Eingangstür. Abgeschlossen. Er stieg über die Leiter auf das Oberdeck. Dort waren eine Sitzgruppe und Liegen zum Sonnenbaden. Das Schaukeln der Dünung war hier stärker zu spüren, genauso, wie Gianella es mochte. Die Yacht wirkte fabrikneu und unbenutzt – bis aufdie Schramme am Bug. Gianella legte sich auf eine der weißen, mit Kunstleder bezogenen Liegen und sah in den Himmel. Wie gerne hätte er die Yacht einmal ausprobiert. Ferretti baute die schönsten Kunststoffboote.
Es wurde dunkel, und die Sterne verschwammen im Dunst. Pietros Anruf war überfällig. Ein Auto näherte sich. Gianella sah die Lichtkegel, die von der Deichkante herunterkippten und durch die Marina zuckten. Er überlegte, ob er von der Yacht klettern sollte, aber es war zu spät. Der Wagen hatte vor dem Steg gehalten. Ein Mann stieg aus und kam auf das Boot zu. Er machte die Leinen los, warf sie mit Schwung über die Reling und sprang an Bord. Gianella schaltete sein Handy ab, duckte sich auf die Planken und lauschte. Der Mann war mittelgroß, bewegte sich zielsicher und nahezu lautlos. Gianella hatte ihn nicht erkennen können, aber eines war sicher: De Santis war es nicht.
52
Der Jeep setzte über eine Betonkante, rollte ein Gefälle hinab und bremste heftig. Lunau knallte gegen die Rückbank. Er lag in seinem Schweiß, bekam in den Säcken keine Luft mehr, er war dehydriert und zitterte. Die Brüder hatten den Wagen irgendwo in der Sonne geparkt, die Klimaanlage abgeschaltet und ihn stundenlang stehen lassen. Nur den Hund hatten sie mitgenommen.
Der Motor verstummte, die Türen wurden geöffnet,Lunau hörte das Schwappen des Wassers an der Kaimauer, das Knarren der Taue. Es roch nach Meer und Tang. Lunau versuchte, sich jedes Detail einzuprägen.
Er wusste, dass sie ihn töten wollten. Wahrscheinlich würden sie ihn auf See über Bord werfen. Mit einem Gewicht beschwert. Es würde Wochen dauern, ehe die Verwesungsgase seine Leiche an die Oberfläche steigen ließen, Wochen, in denen die Strömungen ihn Hunderte von Kilometern abtreiben konnten. Wer weiß, wann sie mich identifizieren, dachte er, und ob sie mich jemals identifizieren.
Er musste handeln, so lange sie noch an Land waren.
Aber schon nahmen sie den Sack, in dem er steckte, und trugen ihn über einen Steg, dann auf ein Boot, unter Deck. Quietschende Schuhsohlen, Klappern von Metall. Der Hund sprang hechelnd um sie herum und wurde von Totò zurückgepfiffen. Lunaus Bewacher zwängten sich mit ihrer Last durch Türen und über Leitern, Lunaus Kopf schlug gegen einen Handlauf. »Passt auf, ihr Idioten!«, blaffte Totò De Santis, »ich will hier keine Sauerei an Bord.«
Lunau wurde in einem kühlen Verschlag abgelegt, in dem es nach Maschinenöl, feuchtem Holz und Plastik roch.
»Ihr sollt ihn mitnehmen«, knurrte Totò. Seine Stimme drang nur schwach in die Kajüte. Seine Brüder protestierten, aber Totò duldete keine Widerrede: »Er wird seekrank. Ihr nehmt ihn mit.«
Es ging um den Hund. Die Männer entfernten sich, und dann sprang der Motor mit Getöse an. Lunauschien direkt auf den Kolben zu liegen. Die Drehzahl des Motors war hoch, höher als bei einem Dieselaggregat. Was war das für ein Boot? Lunaus Schädel vibrierte, die Geräusche dröhnten durch seinen Gehörgang und die Jochbeine.
Der Wellengang nahm zu, De Santis schien auf die offene See zu fahren. Lunau fing an, die Hand- und Fußgelenke in den Kabelbindern zu bewegen, bis er den Kunststoff in seinem Fleisch spürte. Wenn er sich nicht befreien konnte, dann wollte er wenigstens Spuren hinterlassen.
Der Wellengang wurde noch stärker, Lunau rollte hin und her, die Drehzahl des Motors oszillierte. Dann fasste ihn jemand an den
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