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Der Tote am Steinkreuz

Der Tote am Steinkreuz

Titel: Der Tote am Steinkreuz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Tremayne
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fragte sie.
    Muadnat schwieg.
    »Hast du die Grenzzäune in Ordnung gehalten?«
    »Der Hof, der jetzt Archú gehört, war seit Jahren mein Eigentum. Ich habe die Grenzzäune entfernt, weil sie nicht mehr gebraucht wurden.«
    »Vor Gericht hat sich ergeben, daß der Hof, der Archú gehört, nicht dein Eigentum war und daß du ihn in all den Jahren lediglich als gesetzlicher Vormund für deinen Verwandten Archú bewirtschaftet hast«, erwiderte Fidelma. »Du gibst zu, daß du die Grenzzäune zwischen seinem Hof und deinem Hof entfernt hast?«
    Crón schaute Fidelma mit unverhohlener Bewunderung an, als ihr plötzlich das Ziel der Befragung klar wurde. Trotz ihrer früheren Abneigung gegen Fidelma war Crón intelligent genug, um Fidelmas Scharfsinn und ihre Rechtskenntnis zu würdigen.
    »Zugeben?« Muadnat war verwirrt. »Wieso sollte ich Grenzzäune zwischen Ländereien, die mir gehörten, stehenlassen?«
    Fidelma gestattete sich ein schmallippiges Lächeln.
    »Du hast die Grenzzäune entfernt?«
    »Ja.«
    Anscheinend zufriedengestellt, wandte sich Fidelma an Crón.
    »Nun bin ich bereit, dich zu der Rechtslage zu beraten, Tanist von Araglin, es sei denn, du hast noch Fragen zu stellen. Für mich ist die Sache klar. Möchtest du meinen Rat geheim oder öffentlich hören?«
    »Ich meine, die streitenden Parteien haben das Recht, die Gesetzeslage zu erfahren«, erwiderte Crón feierlich.
    »Sehr wohl. Erstens haben wir gehört, daß Archú de facto, also tatsächlich, seinen Besitz erst vor vier Tagen übernehmen konnte. Bis dahin war er zwar de jure, also von Rechts wegen, der Eigentümer, doch Muadnat besaß und bewirtschaftete den Hof. Muadnat gibt zu, daß er die Grenzzäune zwischen den beiden Höfen niederlegte. Das ist nach dem Gesetz unzulässig, doch kann sich Muadnat damit entschuldigen, daß er glaubte, legal zu handeln.«
    Muadnat erhob sich und wollte sie unterbrechen.
    »Du bist still, während die dálaigh die Rechtslage erläutert«, wies ihn Crón schroff zurecht.
    Cranat, die während der Zeit wie eine Statue dagesessen hatte, wurde unruhig.
    »Tochter, mußt du so scharf mit einem Mann reden, der dein Verwandter ist und deinem Vater treu gedient hat?« protestierte sie. »Das beschämt uns vor Fremden.«
    Muadnat hatte sich still wieder hingesetzt.
    Crón sah ihre Mutter ärgerlich an.
    »Ich bin Tanist und sitze zu Gericht. Da müssen die Zuhörer schweigen, Mutter. Das gilt auch für dich.«
    Cranat starrte ihre Tochter verblüfft an und klappte den Mund hörbar zu.
    »Sprich weiter, Schwester Fidelma«, ordnete Crón an.
    Fidelma fuhr fort: »Zweitens ist zu bedenken, daß Archú seinen Besitz erst vor vier Tagen übernahm und folglich noch keine Zeit hatte, ordentliche Zäune zu errichten.«
    »Das Gesetz ist klar«, rief Muadnat störrisch. »Zeit spielt keine Rolle. Er ist für die Umzäunung verantwortlich.«
    »Das stimmt nicht«, widersprach Fidelma, an Crón gewandt. »Die Zeit spielt wohl eine Rolle. Das Bretha Comaithchesa ist darin sehr genau. Die Besitzer benachbarter Bauernhöfe sind beide für den Grenzzaun zwischen ihren Ländereien verantwortlich, und dieser Zaun ist ihr gemeinsames Eigentum, so daß jeder seinen Teil der Arbeit auszuführen hat.« Sie wandte sich an den stämmigen Bauern. »Was hast du getan, um den gemeinsamen Zaun wieder aufzurichten, den du selbst zerstört hattest, Muadnat?«
    Muadnat war zornrot im Gesicht. Er brachte kein Wort mehr hervor. Er begriff, daß er irgendwie wieder am Verlieren war, doch fehlte ihm der Verstand, den Grund zu erfassen.
    »Nichts, schließe ich aus deinem Schweigen«, bemerkte Fidelma trocken. »Und die Zeit spielt nicht etwa keine Rolle, sondern ist nach dem Gesetz ein entscheidender Faktor. Wenn jemand einen Bauernhof in Besitz nimmt, sind drei Tage vorgesehen für das Festlegen des Grenzverlaufs, und in zehn Tagen sollte der Zaun stehen. Niemand ist sofort verpflichtet, einen Zaun zu setzen, denn es gibt keine Strafe für die Nichtfertigstellung. Es gibt nur den indirekten Zwang durch mögliche Verfahren wegen Übertretungen durch Menschen oder Tiere.«
    Fidelma hielt inne und wandte sich dann an Crón.
    »Das ist der Rat, den ich dir zur Rechtslage geben kann. Das Urteil liegt bei dir, Crón, und es muß dem Gesetz entsprechen.«
    Crón verzog das Gesicht.
    »Dann muß das Urteil offenkundig so lauten, daß Muadnat seine Klage in diesem Fall nicht durchsetzen kann. Archú hat nicht die vom Gesetz vorgesehene Zeit gehabt, die

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