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Der Tote im Grandhotel

Titel: Der Tote im Grandhotel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Bellin
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hätte Moritz wieder aufgelegt. Aber dann nahm das Schicksal seinen Lauf. Er brachte wieder die Geschichte von der Versicherung vor.
    Die Frau fragte: »Welche Versicherung? Herr Hornung ist sehr beschäftigt.«
    »Helvetia Transportversicherungen. Mein Name ist Müller-Krohn.«
    Den Namen der Versicherung hatte er aus dem Branchentelefonbuch herausgesucht.
    »Können wir Sie zurückrufen?«
    »Ich mache anschließend Kundenbesuche. Es wäre mir schon sehr angenehm, wenn ich Herrn Hornung kurz persönlich sprechen könnte. Ich rufe aus Berlin an.«
    »Einen Moment bitte. Ich erkundige mich.«
    »Hornung.«
    Moritz zuckte zusammen. Aber er nahm allen Mut zusammen. »Haben Sie meinen Brief bekommen?«
    »Welchen Brief? Ich kriege viele Briefe.«
    »Grandhotel. Wollen Sie … oder soll ich …«
    Das hatte er sich vorher ausgedacht. Es klang sehr professionell, fand er.
    »Lassen Sie hören.«
    »Kennen Sie das Museumsdorf in Kiel? Den Kransee? Da am südlichen Ufer gehen Sie entlang. Mittwoch dieser Woche. Punkt zweiundzwanzig Uhr. Ich werde da sein. Kleine Scheine. Ich meine es ernst. Keine Polizei. Das würde sich rächen.«
    »Na schön.«
    Er hängte ein. Das Herz eine Dampframme.
    Kaum anzunehmen, daß ein Mann wie Hornung sich auf so etwas einließ. Andererseits kam er sonst bestimmt in Teufels Küche. Moritz würde auch kein allzugroßes Risiko eingehen. Er konnte sich in den dichten Büschen am Ufer wunderbar verstecken. Selbst wenn Hornung zur Polizei ging und die Bullen mit Hunden rumstöbern würden, konnten sie Moritz gar nichts nachweisen. Seine Eltern wohnten in der Nähe. Er würde ein Fahrrad mithaben und behaupten, er radele halt abends gern noch einmal um den See.
    Als er ein Junge gewesen war, hatte er sich hier wirklich oft aufgehalten. Im Sommer ankerten Boote im Schilf. Abends hörte man die glücklichen Menschen auf den Booten lachen. Musik wehte über das Wasser, Gelächter, Gesang. Sein Herz hatte sich sehnsüchtig verkrampft. Nun sollte hier sein Einstieg in ein besseres Leben beginnen.
    Er wollte das Geld nehmen. Hornung würde ihn nicht erkennen, dafür mußte er noch sorgen. Rein ins Gebüsch. Weg. Mit dem Fahrrad später in die Heuhütte am Nordufer. Abschminken, umziehen. Nach Hause zu den Eltern radeln. Zwei Tage hatte er frei durch den Schichtdienst und den Tausch mit einem Kollegen. Es war nicht das erstemal, daß er kurz nach Hause fuhr. Es gab immer kleine Geschenke. Und er brauchte auch die Liebe seiner Familie. Tante Charlotte war für diese Art von Liebe nicht disponiert.
    Zuerst wollte er den Führerschein machen. Dann im Urlaub durch Südfrankreich nach Spanien trampen. Da konnte er schon unauffällig Geld eintauschen. Dann würde er ein kleines, unauffälliges Auto kaufen. Die gab es schon gebraucht für zehntausend Mark. Ja, das war sein Traum. Alle Leute hatten Autos.
    Es war vielleicht riskant, was er nun vorhatte. Wer wagt, gewinnt, sagte sein Vater. Und ein Lehrer hatte immer gesagt: Wille versetzt Berge.
    Stimme verstellen. Großes Ehrenwort geben: nur dieses eine Mal. Nachsehen, ob kein Zeitungspapier in der Tasche war. Alles noch einmal durchgehen. Nix wie weg. Und wenn kein Geld drin war?
    Rache! Anonyme Anzeige bei dem Kommissar. Mit dem war bestimmt nicht gut Kirschen essen. Mit dem legte man sich besser nicht an.
    Ferner: Anruf bei der Gattin. Ihr lieber Mann in Berlin mit einer echten Zuckerpuppe im Bett. In einen Mord verwickelt. Na, gute Nacht!
    Zwar war Moritz furchtbar aufgeregt. Doch das Leben funkelte und prickelte plötzlich. Er rief bei Tante Charlotte an.
    »Ich brauche ein bißchen Hilfe, meinen Typ zu verändern für eine Nacht. Hilfst du mir? Es geht um eine Wette.«
    »Zu wann?«
    »Dienstag brauch' ich's.«
    »Okay. Die Wette ist schon so gut wie gewonnen. Man wird dich nicht erkennen, Schatz.«
    »Danke, Charlotte.«
    Moritz lächelte vor sich hin. Ich erkenne mich jetzt schon nicht mehr, dachte er.
    Richard Hornung hatte sich entschlossen, es als seine Aufgabe zu betrachten, den Erpressungsversuch unter Einsatz aller seiner Fähigkeiten scheitern zu lassen. Er sah sich als coolen, pragmatisch handelnden Geschäftsmann, der an eine Aufgabe überlegt und konsequent heranging.
    Mittwochs hatte Lucie immer ihren Bridge-Abend. Diesmal war ihre Freundin Gerda als Gastgeberin dran. Er würde Lucie mit seinem Wagen hinfahren, wie er es meistens nach Möglichkeit tat, und sie nahm dann ein Taxi zurück, damit sie nach dem Spiel in angenehmer Gesellschaft

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