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Der Tote im Grandhotel

Der Tote im Grandhotel

Titel: Der Tote im Grandhotel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Bellin
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Bibliothek. Er las die Zeitung und trank Cognac. Nachher würde er Lucie in ihrem Zimmer besuchen und
    mit ihr schlafen in ihrem breiten Bett mit den stets weißen Bezü-
    gen. Sie würde nach ›Jolie Madame‹ duften und anmutig seufzen,
    wenn sie kam.
    Die Welt schien wieder in Ordnung zu sein. Der Kelch war vor-
    übergegangen. Die Zeitung war voll von Berichten über Kriege, Be-trugsaffären, Bestechung, Unfälle. Mord und Totschlag – nichts Be-40
    sonderes. Solange man Zuschauer sein durfte.
    4. Kapitel
    ritta saß im Dunkeln. Sie zitterte. War es vor Kälte? Oder vor
    BAngst? Nein, richtige Angst war es nicht. Jedenfalls nicht die Art Angst, die sie kannte.
    Alles in ihr war eiskalt, auch das Gehirn schien erfroren zu sein.
    Sie hatte weder Hunger noch Durst. Kein körperliches Bedürfnis.
    Muskeln und Sehnen, die anfangs stark geschmerzt hatten beim
    durch die Fesselung unbeweglichen Sitzen, meldeten kein Gefühl
    mehr. Ihr Gesicht hatte geschmerzt nach dem Schlag. Auch das war überstanden. Abgestorben.
    Diesen Zustand mochten Fakire erreichen. So ähnlich könnte es
    sein, wenn man erfror. Gleichgültigkeit. Totale Kapitulation.
    Britta merkte, daß sie doch noch einer Regung fähig war: Sie
    wartete auf den Engel. Irgendwann würde er wieder erscheinen und ihr befehlen, was sie tun und sagen sollte.
    Aber er kam nicht. Er ließ sie im Stich. Dann verging auch diese Regung. Diese merkwürdige Sehnsucht nach dem Peiniger. Sie wür-de sterben.
    Weshalb? Es war nicht mehr wichtig.
    Plötzlich schien Licht vor ihren Augen zu explodieren. Sie schreckte hoch. Da stand er. Der Schöne, die Verkörperung ihrer Wünsche und Fantasien von damals, vor einer Ewigkeit, als sie noch heiter und sieghaft gewesen war. Ihr Kerkermeister. Die einzige Person, die noch für sie existierte.
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    Er trug ein weites, weites Hemd zu Jeans. Sein Lächeln war makellos. Seine Augen waren Granit. Er trat stumm hinter ihren Stuhl und löste die Fessel um ihren Unterleib. Sie stöhnte. Er trat vor sie hin und streckte die Arme nach ihr aus. Sie ergriff seine Hände. Er zog sie hoch. Aber sie knickte in den Knien ein. Das Blut strömte schmerzhaft in ihre Beine. Sie merkte selbst, daß sie entsetzlich stank. Nach Schweiß, Urin und Kot. Er hakte sie unter.
    »Gehen wir ein paar Schritte, Matka. Du bist ja ganz von Kräften.
    Gleich lasse ich dir ein kleines Frühstück bringen und auch Zigaretten, wenn du willst. Aber vorher sagst du mir, wer die Kerle im Hotel waren. Der, mit dem du zusammen warst. Und der andere,
    der nicht wieder aufwachen wird. Wie lief es ab? Kanntest du den Kerl, der angeblich Boris hieß, schon vorher? Rede! Du steckst mit drin. Wenn du jetzt nicht den Mund aufmachst, wirst du ihn bald nie wieder aufmachen können. Und denk nicht, wir würden dir
    bloß die Zunge abschneiden. Wir fangen das ganz professionell an, scheibchenweise.«
    »Aber ich weiß nichts. Ich habe alles gesagt. Ich habe immer so Päckchen überreicht, diesmal Uhren, einmal ein Radio, einmal Bü-
    cher, einmal … ach, ich habe doch schon alles gesagt, ich weiß
    nicht einmal, was sonst noch drin war, ich kann es aufschreiben, wenn Sie wollen. Rauschgift war es nicht, glaube ich jedenfalls. Und es hat nie mehr gewogen als ungefähr ein Kilo – mit Verpackung.
    Der Mann … also, der Boris, sollte mir auch etwas geben. Er hat es auf den Tisch gelegt. Ich weiß nicht was, Ehrenwort. Ich habe zwischen tausend und dreitausend Dollar bekommen, die Hälfte vor-
    her, als Taschengeld, hat Mister Lederman gesagt, die Hälfte hinterher. Das Hotelzimmer war immer schon gebucht, und meist auf
    meinen Namen, weil es ja ganz unverfänglich ist; alle Angestellten bei der BEA reisen viel umher. Diesmal aber nicht, ich weiß nicht, wieso.«
    »Na schön, du machst das doch recht ordentlich.«
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    »Ich mußte immer auf jemanden warten, der etwas von ›Onkel
    Nick‹ sagte. Es waren immer Männer. Der letzte, der …« Sie schluckte, »… der tot ist, der hat am Telefon gesagt: ›Hier ist Boris. Ich bestelle Grüße von Onkel Nick‹, und er hatte wohl einen östlichen Akzent, das ist wahr …«
    Flüchtig dachte sie an das Päckchen im Schrank. Ob sie das ge-
    funden hatten? Wohl nicht. War ja auch nur Spielzeug, sah jedenfalls so aus.
    Schlafende Hunde sollte man nicht wecken. Also: Schwamm
    drüber!
    Die Tür wurde geöffnet. Der Magere trat mit einem Tablett ein.
    Darauf standen ein Glas Wasser und ein Teller mit einer Pizza.
    Eine Pizza! Wenn alles

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