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Der Tote im Grandhotel

Der Tote im Grandhotel

Titel: Der Tote im Grandhotel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Bellin
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Seiten fielen zu Boden. Er raffte alles kraus zusammen und schloß seine Wohnung auf. Im Zimmer dann kam der Schock. Da
    stand es!
    Harry, unser Boot ist da. Melde dich.
    Moritz verließ die Wohnung wieder und steuerte eine Telefonzel-
    le an. Aber er konnte es nicht! Er lief einfach weiter, wie häufig am Morgen. Tante Charlotte war mit irgendeinem Kerl von der Tele-kom in Dresden und würde erst morgen zurück sein. Moritz ging
    ins Kino und sah sich in der Filmbühne Wien nacheinander zwei
    Filme an. Der Tag wurde lang, und er war ganz erleichtert, als sein Dienst begann.
    Am nächsten Morgen aber rief er von einer Telefonzelle aus bei
    Hornung an. Er hatte die Nummer bei sich gehabt und empfand
    das als merkwürdigen Anstoß zum Handeln. Es ist ein Versuchsbal-lon, sagte er sich. Immer noch ganz unverbindlich.
    Eine Frauenstimme meldete: »Hier bei Hornung.«
    »Ich möchte bitte Herrn Hornung sprechen.«
    Erst furchtbares Herzklopfen, dann plötzlich beinahe heitere Ge-lassenheit.
    »Herr Hornung ist nicht im Haus. Kann ich etwas ausrichten?
    Wer spricht, bitte?«
    »Hier Schulze-Krohn. Es ist wegen der Versicherung. Ich würde
    schon gern persönlich mit ihm sprechen.«
    »Dann rufen Sie bitte im Büro an. Sie haben wohl die Nummer?«
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    »Natürlich. Danke.«
    Der Damm war gebrochen. Klar, man rief so einen Mann im
    Büro an. Wie hieß die Firma noch? Hornung hieß sie nicht. Jetzt fiel ihm der Name nicht ein. An solchen lächerlichen Kleinigkeiten konnten also große Vorhaben scheitern.
    Irgend etwas mit Sche … Scheerer … nein … Schee … nein. Es fiel ihm nicht ein. Er überlegte, ob er zu Hause anrufen und die Firma auf irgendeine Weise ins Gespräch bringen könnte. Aber das war
    unmöglich. Es würde selbst seiner Mutter auffallen.
    Dann, mitten in der Nacht, wachte er mit einem Ruck auf. Sey-
    boldt! Jawohl, Seyboldt. So hatte der erste Chef geheißen, und der Herr Hornung hatte die Tochter geheiratet. Von wegen See … Blödsinn, Seyboldt war richtig.
    Am nächsten Morgen vor dem Dienstbeginn war Moritz schon
    im Postamt und suchte im Kieler Telefonbuch die Telefonnummer
    der Geschäftsadresse heraus. Ein Kinderspiel.
    Und gegen elf Uhr, als er vom Hotel aus geschickt wurde, für
    eine amerikanische Revuetante eine Wimpernzange zu besorgen –
    er hatte noch nie vorher von der Existenz eines solchen Instrumentes gehört, erfuhr aber in der eleganten Drogerie, daß man damit in die Wimpern einen eleganten Knick nach oben machte –, nahm er
    die Gelegenheit wahr, eine Telefonzelle aufzusuchen. Sie war nicht kaputt. Daß sie funktionierte, erschien ihm als Bestätigung des Schicksals: Tu es!
    Er wählte und preßte ein Papiertaschentuch vor den Mund. Zum
    Glück hatte er seine Telefonkarte. Kleingeld reichte nie bei Gesprä-
    chen nach auswärts. Außerdem litt die Konzentration, wenn stän-
    dig neue Münzen nachgelegt werden mußten.
    Eine Frauenstimme meldete sich. Beinahe hätte Moritz wieder
    aufgelegt. Aber dann nahm das Schicksal seinen Lauf. Er brachte wieder die Geschichte von der Versicherung vor.
    Die Frau fragte: »Welche Versicherung? Herr Hornung ist sehr
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    beschäftigt.«
    »Helvetia Transportversicherungen. Mein Name ist Müller-Krohn.«
    Den Namen der Versicherung hatte er aus dem Branchentelefon-
    buch herausgesucht.
    »Können wir Sie zurückrufen?«
    »Ich mache anschließend Kundenbesuche. Es wäre mir schon
    sehr angenehm, wenn ich Herrn Hornung kurz persönlich sprechen
    könnte. Ich rufe aus Berlin an.«
    »Einen Moment bitte. Ich erkundige mich.«
    »Hornung.«
    Moritz zuckte zusammen. Aber er nahm allen Mut zusammen.
    »Haben Sie meinen Brief bekommen?«
    »Welchen Brief? Ich kriege viele Briefe.«
    »Grandhotel. Wollen Sie … oder soll ich …«
    Das hatte er sich vorher ausgedacht. Es klang sehr professionell, fand er.
    »Lassen Sie hören.«
    »Kennen Sie das Museumsdorf in Kiel? Den Kransee? Da am süd-
    lichen Ufer gehen Sie entlang. Mittwoch dieser Woche. Punkt zweiundzwanzig Uhr. Ich werde da sein. Kleine Scheine. Ich meine es ernst. Keine Polizei. Das würde sich rächen.«
    »Na schön.«
    Er hängte ein. Das Herz eine Dampframme.
    Kaum anzunehmen, daß ein Mann wie Hornung sich auf so et-
    was einließ. Andererseits kam er sonst bestimmt in Teufels Küche.
    Moritz würde auch kein allzugroßes Risiko eingehen. Er konnte sich in den dichten Büschen am Ufer wunderbar verstecken. Selbst wenn Hornung zur Polizei ging und die Bullen mit Hunden

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