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Der Tote im Grandhotel

Der Tote im Grandhotel

Titel: Der Tote im Grandhotel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Bellin
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der Motor mache so ein komisches Geräusch. Der Meister, durch beachtliche Trinkgeldgaben stets zuvorkommend emsig,
    horchte und prüfte vergeblich. Richard stimmte zu, den Wagen da-zulassen für eine genauere Überprüfung, eventuell eine Probefahrt.
    »Aber morgen brauch' ich ihn wieder, Herr Stössel!«
    »Klar. Das machen wir schon. Schönen Tag noch, Herr Hor-
    nung.«
    »Danke gleichfalls. Kann man immer brauchen.«
    Abends erklärte er Lucie, er müsse noch einmal mit dem Archi-
    tekten und dem Bauherrn – »Du weißt doch, der ›Großbauer‹ mit
    dem Kneipentick« – verhandeln. So etwas passierte manchmal und
    erregte deshalb auch keinen Verdacht. Schon der alte Seyboldt hatte oft gesagt, die wirklich guten Geschäfte würden auf privater Ebene abgeschlossen.
    »Leihst du mir deinen Wagen, Schatz? Meiner ist in der Werk-
    statt.«
    »Sei aber vorsichtig. Das kostbare Stück ist an gute Behandlung gewöhnt.«
    »Ich werde mir Mühe geben.«
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    Mühe geben. Schönen Tag noch. Allerweltssätze bekamen heute einen vertrackten Doppelsinn.
    Als Lucie in ihrer ›Töpferwerkstatt‹ war – sie machte einen Keramik-Lehrgang und arbeitete auch zu Hause; gerade fertigte sie einen sehr schönen Behälter zum Verdunsten ätherischer Öle –, brachte Richard eilig die Aktentasche in die Garage und legte sie in den Kofferraum von Lucies Golf. Sie würde bestimmt nicht darin nach-forschen.
    Abends war es dann soweit. Er startete bereits um acht. Ein zu
    später Zeitpunkt hätte Verdacht erregen können. So fuhr er noch etwas umher, hielt auf Parkplätzen an und fuhr gerade rechtzeitig in Kiel-Ramsee ein, parkte dort, wo auch die anderen Autos parkten, das fiel am wenigsten auf. Und ein kleiner Anmarsch konnte nicht schaden. Eine ausreichende Entfernung vom Ort des Geschehens
    würde nur gut sein.
    »Packen wir's an!« sagte er laut, als er ausstieg. Er nahm die Aktentasche aus dem Kofferraum und fühlte nach der Waffe in der
    Tasche, die er unter dem beigen Lumberjack aus weichem Nappa
    umgeschnallt hatte. Den leichten Mantel ließ er offen.
    In dieser Gegend war es abends ruhig. Er traf keinen Menschen.
    Aber es wäre auch nicht schlimm gewesen. Schließlich sah er zwar gut aus, aber nicht auffällig. So wie er waren hier viele Männer gekleidet.
    Richard marschierte zügig in Richtung Kransee und verlangsamte
    das Tempo, als er den Uferweg erreicht hatte. Zweiundzwanzig Uhr, er war pünktlich. Hoffentlich war der Erpresser es auch.
    Er durfte jetzt keinen Fehler machen. Sein Herz schlug gleich-
    mäßig. Er war angespannt, aber nicht nervös. Kraftvoll und gesammelt wie vor einer großen geschäftlichen Transaktion.
    Er hatte seine dünnen Lederhandschuhe angezogen und hielt die
    Tasche mit der Linken vor den Bauch gepreßt. In der Rechten hatte er die 9-Millimeter-Pistole. Entsichert und einsatzbereit.
    112
    Natürlich wußte jedes Kind, daß man einem Erpresser niemals
    nachgeben darf. Sie kamen immer wieder. Sie bluteten ihr Opfer
    aus. Es war wie beim Pokerspiel, wenn man mit einem General Flash zuerst einen kleinen Einsatz machte, um den Gegner anzulocken,
    dann langsam erhöhte und, wenn für ihn schon viel auf dem Spiel stand, richtig zuschlug. Poker hatte Richard früher gern und erfolgreich im kleinen Kreis gespielt, um relativ geringe Summen. Er hatte Talent dafür. Später gab er es auf. Es paßte nicht zum jungen Boß, nicht zu dieser hanseatischen Familie, auch nicht zu dem
    Mann, der er jetzt war. Der zockte nicht die Nächte durch bei Bier und Zigaretten. Doch der Wagemut und die Kaltblütigkeit hatten
    ihn trotzdem nicht verlassen. Diese Pokerpartie würde Richard
    Hornung gewinnen. Yes. Sir!
    Zehn Minuten war er gegangen, vorbei an wenigen Häusern mit
    einzelnen beleuchteten Fenstern. Dies waren nicht die Häuser junger Familien, die alle Räume nutzten. Hier zog sich ein Paar oder ein alter Mensch jeweils in sein Wohnzimmer oder in sein Schlafzimmer zurück. Allenfalls werkelte die Frau in der Küche, und der Mann saß schon vor dem Fernseher.
    Ja, und nun? Es mochte ein einzelner Erpresser, es konnte aber
    auch eine ganze Horde sein. Sie könnten ihn eventuell zusammen-
    schlagen, ihm das Geld abnehmen. Jedenfalls sahen sie dann seinen guten Willen. Er hatte das Geld dabei. Und nur deshalb, aus diesem einzigen, nicht wirklich kalkulierbaren Grunde, hatte er es besorgt und eingepackt. Er hatte nicht vor, es zu übergeben, wenn es sich vermeiden ließ.
    Richard war auf der Höhe einer Bank, wie

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