Der Tote im Kofferraum
leicht machen. Nicht stimmen: schwer machen!«
Delia konnte sich gut vorstellen, daß die vielen Knöpfe und Schalter Huia verwirrten. Sicherlich wäre ihr ein Herd mit Holzfeuerung lieber gewesen als der elektrische, und Kupferkessel und Holzzuber sagten ihr mehr zu als die modernste Waschmaschine.
Sie bereitete schnell den Tee zu, weil sie sich in der verlassenen Küche nicht gern allein aufhielt. Dann trug sie das Tablett mit dem Tee in Graces Zimmer, setzte sich auf einen kleinen Sessel neben ihrem Bett und goß den Tee ein. »Henry stand nachts oft auf und brachte mir Tee oder heiße Milch«, sagte Grace. »Es war so nett gemeint von ihm, aber der Tee schmeckte nicht gut, nicht wie dieser Tee, den Sie zubereitet haben.«
»Die meisten Männer verstehen nichts vom Teekochen. Das können Frauen besser, nicht wahr?«
Aber Grace schien ihre taktvolle Verallgemeinerung gar nicht gehört zu haben und wieder ihren eigenen sorgenvollen Gedanken nachzuhängen. »Delia — ich möchte Sie gern so nennen, weil ich hoffe, daß Sie hier bleiben und daß wir gute Freunde werden — , Delia, ich bin eine entsetzlich unglückliche Frau.«
Delia wußte, wann man schweigen muß. Sie berührte die schmale zarte Hand, die auf der Bettkante lag, aber sagte nichts. »Ich bin gar nicht verzweifelt, das ist das Verrückte. Dabei müßte man doch verzweifelt sein, wenn der Mann tot ist, wenn er — ermordet wurde.«
»Ich glaube nicht, daß es bei Gefühlen ein Muß gibt.«
»Ich weiß, aber trotzdem habe ich ein Schuldgefühl. Selbstverständlich ist es schrecklich, daß Henry auf diese Weise sterben mußte, obwohl er, wie der Inspektor mir versichert hat, auf der Stelle tot war und nichts mehr spürte. Doch Mord ist etwas so Schreckliches, und Henry war noch nicht alt. Auf seine Weise hing er am Leben, und ich kann den Gedanken nicht ertragen, daß jetzt alles für ihn aus ist. Aber den rein persönlichen Schmerz, den ich fühlen müßte, der fehlt. Der untröstliche Kummer, den ich empfand, als Derrick starb, das Gefühl höchster Verzweiflung — nichts davon spüre ich.«
Delia hörte schweigend zu. Sie wußte, daß sich Mrs. Warwick-Smith nach dem schweren Schock ihren Kummer von der Seele reden mußte.
Grace erzählte weiter, fast wie im Selbstgespräch. »Es waren zwar nur drei Jahre, aber immerhin war er mein Mann. Ich habe mir oft überlegt, warum ich ihn überhaupt geheiratet habe. Es muß die Einsamkeit gewesen sein, unter der ich nach Derricks Tod fürchterlich litt. Ich kam mir nach Derricks Tod verloren vor, und Henry war so nett. Tracy war dagegen und sagte: >Wie kannst du nur diesen Mann an Derricks Stelle setzen!< Dann ging er fort. Er lebt jetzt auf der Südinsel, und ich habe ihn die letzten drei Jahre nicht mehr gesehen. Dabei gehörte er zu meinem Leben wie Derrick.« Plötzlich bemerkte sie Delia wieder, die noch immer still neben ihrem Bett saß und schweigend zuhörte. »Verzeihen Sie mir. Ich bin sonst nicht so geschwätzig, aber heute nacht habe ich das Bedürfnis zu sprechen. Ich muß es mir von der Leber reden, wie Derrick immer zu sagen pflegte.«
»Sprechen Sie, dann werden Sie nachher schlafen können.«
»Früher konnte ich immer gut einschlafen, aber in letzter Zeit fühlte ich mich so elend. Furchtbar elend, Delia, hilflos und einsam. Dabei hatte ich Henry, aber irgendwie... Nun, warum soll ich lügen. Unsere Ehe war nicht glücklich. Henry wurde mit der Zeit immer schwieriger. All die kleinen Dinge... Und so eifersüchtig! Er wollte sogar Huia und Eru entlassen und neue Leute einstellen. Aber das wollte ich nicht. Immerhin war es ja mein Geld.«
»Dieser Landsitz ist sicher sehr kostspielig, nicht wahr?« fragte Delia neugierig; denn seit sie Grace kannte, konnte sie den verheerend schlechten Geschmack, von dem die Villa von Sunset Lodge zeugte, nicht mehr mit der Herrin des Hauses in Einklang bringen.
»Ja, dieser Landsitz hat ein Vermögen gekostet. Henry hat sein gesamtes Kapital hineingesteckt, aber mir hat es nie gefallen. All der schmiedeeiserne Krimskrams und die Kacheln. Aber er liebte es, und es war sein Geld. Außerdem hatte ich zu der Zeit bereits herausgefunden, daß er keinen Widerstand duldete. Das machte ihn entsetzlich wütend. Deshalb habe ich versucht, mich mit diesem Haus abzufinden, und ich sorgte für den Unterhalt, weil Henry kein Geld mehr besaß und Derrick mir sehr viel hinterlassen hatte. Wir hatten keine Kinder, wissen Sie.« Sie seufzte und stellte ihre leere
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