Der Tote im Kofferraum
verdient, sagte sich Wright im stillen; aber unglücklicherweise durfte ein Polizeibeamter nicht so denken.
»Hoffen wir, daß es ein Irrtum ist«, sagte er zu Dr. Brown. »Jetzt gehen Sie zu ihr, sprechen Sie mit ihr und bitten Sie um die gewünschten Proben, ohne viel Aufhebens von der Sache zu machen. Tun Sie so, als wäre es eine reine Routineuntersuchung. Es wird Ihnen schon etwas einfallen.«
Dr. Browns Berufsehre war durch die Art, wie der Inspektor mit ihm sprach, wiederhergestellt. Er nahm seine Arzttasche, richtete sich auf und fragte kurz: »Wenn ich die nötigen Proben bringe, dann haben Sie wohl die entsprechenden Möglichkeiten, sie auszuwerten?«
»Gewiß. Das können Sie getrost uns überlassen. Versuchen Sie nur, sie nicht unnötigerweise aufzuregen.«
»Das wird nicht leicht sein«, bemerkte der Arzt, als er hinausging, und Wright konnte ihm das nachfühlen. Keine einfache Aufgabe, Grace einzureden, das sei eine Routinesache.
Der Arzt kam schnell wieder zurück und übergab dem Inspektor zwei Schachteln. »Auftrag ausgeführt. Ich hoffe, sie hegt keinen Verdacht. Auf jeden Fall ist es bis jetzt nur eine Vermutung.«
Wright stimmte zu, obwohl er kaum noch einen Zweifel hatte. Zum Glück war es noch nicht zu spät. Grace würde nicht an Arsenvergiftung sterben, wenn es auch noch eine ganze Zeit dauern konnte, bis sie sich wieder völlig erholte. Er dankte dem unglücklichen jungen Mann und verabschiedete ihn.
Zehn Minuten später betrat Huia das Arbeitszimmer. »Doktor hier. Möchte Sie sehen.«
»Aber ich habe doch gerade mit ihm gesprochen. Er ist vor zehn Minuten weggegangen.«
»Nicht er. Nicht der junge Kerl. Das hier richtiger Doktor, Missus’ Freund.« Einen Augenblick später klopfte Dr. Shaw an die Tür.
»Inspektor Wright? Darf ich mich vorstellen — Richard Shaw. Ich bin Arzt, genauer gesagt, Internist, aber ich bin nicht beruflich hier. Ich bin ein guter Freund von Mrs. Warwick-Smith und wollte noch einmal vorbeischauen, weil ich mir Sorgen um sie machte, wie sie die Anstrengung verkraftet.«
Wright dachte: Muß mehr Zeit haben als manche Ärzte. Aber er ist wenigstens ein richtiger Arzt! Ein Mann von Welt, erfahren und fähig. Ich glaube nicht, daß er sich in der Diagnose geirrt hätte. Zumindest hätte er andere Möglichkeiten erwogen. Laut sagte er: »Ich bin sicher, daß sie sich über Ihren Besuch freuen wird. Mir scheint, als verkrafte sie den Schock ganz gut. Huia wird Sie zu ihr führen, und vielleicht haben Sie nachher eine Minute Zeit für mich.«
Shaw sah auf seine Uhr und versprach es. Er war offensichtlich Huias besonderer Liebling. Sie strahlte, als sie ihn in Graces kleines Wohnzimmer führte, und sagte: »Sie richten sie wieder auf, ja?« Dann ließ sie die beiden allein.
Grace sah schwach und erschöpft aus, und er bemerkte sofort, daß sie irgend etwas beunruhigte. Sie streckte ihm ihre Hand zum Gruß entgegen. »O Richard, wie lieb von dir, daß du dir die Zeit nimmst. Aber du darfst deine Praxis nicht wegen deiner lästigen Freunde vernachlässigen.«
Er antwortete mit einem Lächeln, beobachtete sie aber genau. »Ich traf Brown auf dem Weg zu dir. Ich freue mich, daß er sich um dich kümmert. Er ist ein guter Kerl.«
»Ja, aber ziemlich umständlich. Er hat mich etwas höchst Eigenartiges gefragt. Aber mach dir deshalb keine Sorgen. Du hörst genug über Krankheiten, dazu mußt du nicht zu mir kommen. Richard, ich habe heute nacht etwas Außergewöhnliches getan. Ich habe lange mit Delia Hunt gesprochen, über alle möglichen höchst privaten Probleme. So etwas habe ich in meinem ganzen Leben noch nicht getan, und sie ist mir schließlich noch völlig fremd. Ich schäme mich heute so darüber.«
»Das solltest du nicht. Manchmal muß man reden, und eine fremde Person ist oft am besten. Miss Hunt scheint ein verständnisvolles Mädchen zu sein. Du hast dich meiner Meinung nach keiner falschen anvertraut.«
»Ja, ich mag sie. Du hast eine gute Wahl für mich getroffen. Trotzdem schäme ich mich, sogar dir gegenüber. Ich habe nämlich über Henry gesprochen. Keine Frau sollte jemals über ihren Mann sprechen.«
Er lächelte über ihre kindlichen Worte, aber sie fuhr ernst fort: »Vor allem, wenn der Mann tot ist. Oh, ich war treulos. Ich hätte weiterhin — weiterhin...«
»Weiterhin heucheln sollen? Ich glaube nicht, daß du in dieser Hinsicht Schuldgefühle zu haben brauchst. Du warst eine hingebungsvolle, treue Frau, und das bei einem Mann,
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