Der Tote im Kofferraum
du wenigstens alle Verdächtigen.«
»Ich kann mir von der Lady noch immer kein rechtes Bild machen. Ob eine andere Frau mit im Spiel war, weiß man wohl nicht?«
»Nein; aber ich habe noch nicht alle Papiere durchgesehen. Der Mann scheint wirklich alles aufgehoben zu haben. Eines steht jedenfalls schon fest: Er war äußerst knapp bei Kasse und verhandelte mit seinen Gläubigern über einen Zahlungsaufschub.«
»Wie schön... Ich muß sagen, der Mörder hatte Mut, den Kerl in seinem eigenen Garten zu erschießen. Warum hat er ihn eigentlich nicht liegengelassen und einen Unfall vorgetäuscht?«
»Ziemlich schwer zu erklären, wie sich ein Mann von hinten selbst durch den Kopf schießen sollte — und das auch noch zufällig. Geh schlafen, Jim. Du bist heute abend nicht sonderlich in Form.«
In Sunset Lodge war inzwischen Frieden eingekehrt. Grace, die die schlimme Nachricht mit Fassung aufgenommen hatte, lag ruhig, mit geschlossenen Augen auf dem Sofa, als Delia von ihrem Spaziergang zurückkam. Huia saß neben ihr. Delia bewunderte die gelassene Ruhe der Witwe; aber sie hatte Grace nicht gesehen, nachdem Dr. Shaw gegangen war und Huia seinen Platz eingenommen hatte.
Grace hatte sich nur so lange beherrschen können, bis der Arzt sie verließ. Dann brach sie zusammen, und Huia fand sie schluchzend auf ihrem Sofa; ihr ausgezehrter Körper wurde von Weinkrämpfen geschüttelt. Die alte Maori-Frau nahm Grace in ihre Arme, drückte sie gegen ihren Busen und sprach beruhigend auf sie ein. Bald hörte das Schluchzen auf. Huia blieb neben Grace sitzen, und die beiden unterhielten sich über lauter Belanglosigkeiten, um nicht immer an die grauenhafte Geschichte denken zu müssen. Plötzlich streckte Grace ihre Hand aus und legte sie auf die ihrer alten Freundin. »Huia, wir werden diesen Ort verlassen, du, Eru und ich. Vielleicht auch Delia. Wir wollen dieses scheußliche Haus nie wieder sehen.« Huia war begeistert, nicht zuletzt wegen der Ehre, die es für sie und ihren Mann bedeutete.
Als Delia hereinkam, stand Huia auf und bot ihr ihren Platz an. »Missus wird jetzt Tee trinken. Ich bringe ihr, was sie möchte. Bald Missus wieder kräftig und schön sein. Wird viel lachen, wie früher, als sie herkam.« Sie klopfte Delia ermutigend auf die Schulter und ging dann in die Küche.
Zu ihrer eigenen Überraschung konnte Grace wieder essen. Nach dem leichten Mahl, das sie zu sich genommen hatte, stand sie auf und sagte mit erstaunlicher Ruhe zu Delia: »Ich möchte mich etwas bewegen, Delia, jeden Tag etwas mehr. Nun, da ich die Ursache meines Leidens kenne, habe ich mir in den Kopf gesetzt, so bald wie möglich gesund zu werden. Möchten Sie mir helfen?«
Sie gingen von Zimmer zu Zimmer des großen Hauses. Nur die Arbeitszimmertür blieb verschlossen, und Grace sagte: »Das macht nichts. Ich möchte dort gar nicht hineingehen. Ich habe es nie getan.« Sie schwieg einen Moment, dann fuhr sie fort: »Ich werde diesen Ort verlassen, Delia. Ich habe diesen Landsitz immer gehaßt. Nun möchte ich alles vergessen und noch einmal von vorn anfangen. Ob mir das wohl gelingt? Ich bin, immerhin schon fünfunddreißig. Ich komme mir sehr alt vor.«
»Sie haben das ganze Leben noch vor sich. Fünfunddreißig ist doch kein Alter. Ich bin vierundzwanzig und habe noch gar nicht angefangen zu leben.«
»Warum nicht? Erzählen Sie mir etwas von Ihnen, wie und wo Sie gelebt haben. Sie sind hübsch, Delia. Es muß viele Männer gegeben haben, denen Sie gefallen haben. Erzählen Sie mir von ihnen. Vergessen wir, was hinter uns liegt, und unterhalten wir uns über etwas Angenehmeres.«
»Besonders erfreulich waren meine Männerbekanntschaften ja gerade nicht«, gestand Delia, aufrichtig wie sie war. »Meine Mutter hielt sie sogar für höchst unerfreulich. Die meisten Männer waren ausgesprochen lästig. Wirklich nette Männer scheinen sich für mich nicht zu interessieren, außerdem sind sie immer schon in festen Händen.« Eine halbe Stunde lang amüsierten sich die beiden köstlich über Delias »lahme Hunde« und ihre seltsamen Hinterlassenschaften. »Jetzt wird es höchste Zeit, daß Sie den richtigen jungen Mann kennenlernen, der Sie glücklich macht. Ich glaube, Delia, ich kenne einen, der weder bankrott ist noch von der Polizei gesucht wird und auch keinen Dachschaden hat. Ich meine Keith Wallace. Seine Leidenschaft sind Tiere, die niemand haben will. Er hat schon eine ganze Menagerie.«
»Besser Tiere als Männer«, sagte
Weitere Kostenlose Bücher