Der Tote im Kofferraum
Delia kurz und wechselte das Thema, indem sie Grace nach ihrer ersten Ehe mit Derrick ausfragte und nach seinem Cousin Tracy Gibbs, der über ihre zweite Ehe sehr erbost war.
Während Grace erzählte, dachte Delia: Ich könnte wetten, daß Tracy sie ebenfalls liebt. Deshalb war er so wütend, als sie wieder heiratete, und zog sich zurück. Wie Grace ihr gesagt hatte, lebte er jetzt auf der Südinsel, wo er sich eine Anwaltskanzlei gekauft hatte.
»Es war gemein von ihm, wegzugehen. Wenn er hiergeblieben wäre, wäre das alles nicht passiert. Er schien immer alles zu wissen, was mit mir zusammenhing.« Sie sah traurig aus. Plötzlich sagte sie schnell: »Ich bin sicher, daß ich heute nacht gut schlafe.« Delia dachte erstaunt: Entweder ist ihr nicht bewußt, daß der Mörder noch nicht gefaßt ist, oder es ist ihr einfach alles egal. Gott sei Dank. Sie soll nur ruhig schlafen, denn morgen kommt der Inspektor wieder, um in den Papieren ihres Mannes nach Beweisen zu suchen. Delia erschauerte bei dem Gedanken. »Meine Liebe, Sie zittern ja schon vor Übermüdung«, sagte Grace. »Es waren zwei schlimme Nächte. Ich war sehr egoistisch, Sie mit all dem zu belasten. Ab morgen wird alles anders. Ich werde meine Probleme vergessen.« Dann schickte Grace Delia ins Bett, wo sie bald tief und traumlos schlief.
Wie Grace erwartet hatte, erschien Wright kurz nach dem Frühstück, zog sich ins Arbeitszimmer zurück und suchte auch weiterhin im schriftlichen Nachlaß von Warwick-Smith nach einem eventuellen Hinweis auf den Mörder. Er fand jedoch nur Beweise für die permanente Geldnot des Ermordeten. Er hatte ganz dringend Geld gebraucht. Nur eine größere Summe hätte ihn vor dem völligen Ruin retten können. Seine finanzielle Misere war der Grund für den geplanten Giftmord.
In der Zwischenzeit besichtigte Jim den großen Garten. Er plauderte mit Eru und hörte sich Pratts düstere Ausführungen über das tragische Schicksal eines Künstlers an (wovon Jim so gut wie nichts verstand). Im Haus traf er dann Delia. »Kommen Sie in die Küche und trinken Sie mit Huia Kaffee. Sie hat Sie sehr gern, und sie erzählt so lustig, wenn Sie dabei sind. Wissen Sie, Mr. Middleton, ich finde es außergewöhnlich, daß niemand — weder Mrs. Warwick-Smith noch Huia und Eru noch Keith Wallace — daran interessiert zu sein scheint, wer der Mörder ist. Sie alle haben Henry Warwick-Smith nicht gemocht.«
»Er war ja wohl auch kein ausgesprochen liebenswerter Zeitgenosse«, meinte Jim lächelnd. Dann ging er mit Delia in die Küche, wo Huia ihren feindseligen Gefühlen, die sie für den Ermordeten empfand, endlich wieder freien Lauf lassen konnte. Abschließend sagte sie: »Bald würde er Missus vergiftet haben, Missus würde jetzt Skelett sein.«
Delia beruhigte die alte Frau. »Nun, Huia, Ihre Kochkünste werden dazu beitragen, daß sie bald wieder zu Kräften kommt. Was Sie kochen, schmeckt alles herrlich. Was gibt es heute mittag? Sie brauchen sich nicht so viele Mühe zu machen. Wir sind ja unter uns...«
In dem Moment ging die Tür auf, und Grace kam herein. Sie hielt sich am Tisch fest und lächelte liebenswürdig. »Delia, wir werden nicht unter uns sein. Wir sind gastfreundliche Leute. Da ist zum Beispiel der arme Inspektor. Er schuftet im Arbeitszimmer wie ein Sklave, und ich bin sicher, daß er bis mittag nicht fertig ist. Und da ist Mr. Middleton, vermute ich. Delia, Sie haben ihn mir noch gar nicht vorgestellt.«
Delia lachte und entschuldigte sich. Dann sah sie Jims Begeisterung und dachte: Diese Frau fasziniert sie alle. Sie ist schön und liebenswert, außerdem hat sie Probleme — wer könnte dem widerstehen? Welche Chancen hast du, Delia Hunt, wenn du mit ihr konkurrieren möchtest? Natürlich verehrt auch Keith sie. Er liebt doch jeden, der unglücklich ist. Sie wünschte aufrichtig, Grace möchte bald wieder ganz gesund sein und sich vielleicht mit jenem netten Dr. Shaw verloben. Dann würde sie auf einen gewissen jungen Mann, der »lahme Hunde« liebte, längst nicht mehr so anziehend wirken.
Huia sah etwas besorgt aus. Sie murmelte: »Delia und Missus, Inspektor und Jim. Dann gibt es noch Cornelius Pratt, der immer hungrig ist und einen großen Magen hat. Ißt immer viel. Und die Vorratskammer ist leer.«
Grace lachte und setzte sich zu ihnen an den Tisch. »Arme Huia, Sie haben immer Kummer wegen meiner spontanen Einladungen. Es ist meine Schuld. Ich habe mich seit einer Ewigkeit nicht mehr um den Haushalt
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