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Der Tote im Schnee

Der Tote im Schnee

Titel: Der Tote im Schnee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kjell Eriksson
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wechseln, vielleicht etwas über den kleinen John zu sagen. Er wollte gerne mit jemandem sprechen. Über Johns Hände und sein zurückhaltendes Lachen, vor allem in fremder Umgebung – niemand konnte behaupten, daß John ein aufdringlicher Mensch gewesen wäre. Der magere Körper, der erstaunlich kräftig war.
    John konnte auch gut Murmeln spielen. Wenn sie auf dem Hof gespielt hatten, war es immer John gewesen, der mit einer vollen Murmeltüte und neuen Zinnsoldaten in der Tasche nach Hause gegangen war, besonders die schweren, die Zehner und Zwölfer eroberte er. Nur Teodor, der Hausmeister, konnte ihn schlagen. Er kam manchmal vorbei, lieh sich eine Murmel, warf sie in einem weiten Bogen und kegelte den Zinnsoldaten um. Es galt eigentlich nicht, wenn man sich helfen ließ, aber niemand protestierte. Teodor behandelte alle gleich und beim nächsten Mal kam man unter Umständen selber in den Genuß seiner Hilfe.
    Lennart dachte stets: Wenn wir solche Lehrer gehabt hätten, mit der Stärke und den Schwächen, die Teodor besaß, wären wir alle Professoren geworden. Für irgendwas. Teodor war Professor dafür, wie man eine Kellertreppe kehrte, ohne daß es staubte, wie man drei Dinge gleichzeitig tat, die Höfe derart sauber hielt, daß das Müllaufsammeln wie eine Kunst erschien, wie man Kieswege harkte und Blumenbeete so jätete, daß sie noch zwei, drei Wochen länger hübsch aussahen.
    Das alles hätten wir in der Schule lernen sollen, dachte Lennart, während er den Traktor beobachtete. Glaubst du mir, John? Du warst der einzige, dem ich was bedeutete, nein, falsch, Papa und Mama natürlich auch. Papa, Papa. Das verdammte Stottern. Deine verdammten Dächer. Die Blechhölle.
    Lennart senkte den Kopf wie ein Trauernder an einem Grab. Er fror, wollte aber in seinen Erinnerungen verharren. Wenn er erst nach Hause kam, würde ihn wieder die Erbärmlichkeit seines Daseins einholen. Dann würde er einen Schnaps trinken, vielleicht mehrere.
    Der Junge im Traktor warf ihm einen Blick zu, als er vorbeifuhr. Lennart war egal, was er dachte. Es war lange her, daß ihm so etwas wichtig gewesen war: Soll er doch glauben, daß ich verrückt bin.
    Einmal hatten sie Teodor überrascht, an seinem Geburtstag, vielleicht einem runden, die Eltern mußten ihnen einen Tip gegeben haben. Teodor hatte Angst im Dunkeln, und die versammelten Kinder konnten seine klangvolle Stimme in dem langen, verwinkelten Kellergang hören. Er sang, um seine Furcht zu übertönen. »Sieben einsame Abende habe ich gewartet auf dich …«, hallte es durch den engen Gang mit den dunklen Ecken und Seitengängen. Als er beim Fahrradkeller um die Ecke bog, begannen die Kinder zu singen. Teodor erstarrte vor Schreck, ehe er begriff, wie ihm geschah. Mit Tränen in den Augen lauschte er dem Geburtstagsständchen. Das waren seine Kinder, die er hatte aufwachsen sehen, die Lümmel, mit denen er schimpfte und Tischtennis spielte, denen er den Fußball abnahm, wenn sie auf regendurchweichten Rasenflächen spielten, um anschließend im Heizungskeller mit dem Ball zu jonglieren.
    Zehn Jungen und ein Hausmeister in einem Keller. Das war alles so weit weg. Johns und seine Kindheit. Damals, bevor alles entschieden war.
    Lennart atmete tief ein. Die kalte Luft füllte seine Lungen, und er schüttelte sich. War es vorherbestimmt gewesen, daß sein Bruder jung sterben würde? Es hätte ihn selber treffen sollen. Er, der so oft betrunken Auto gefahren war, Selbstgebrannten gesoffen und mit Typen herumgehangen hatte, die nur für den Tag lebten. Nicht John, der Berit und Justus hatte, seine Fische und seine Hände, der so schöne Schweißnähte ziehen konnte.
    Lennart ging los. Es schneite nicht mehr so stark und zwischen den Wolken waren ein paar Sterne zu erkennen. Der Schneeräumer befand sich jetzt am südlichen Ende des Platzes. Der Traktor stand, und Lennart sah den jungen Mann eine Thermoskanne hervorholen, sie aufschrauben und sich etwas Kaffee eingießen.
    Als Lennart an dem Traktor vorbeiging, nickte er, blieb stehen, als wäre ihm eine Idee gekommen, trat näher und klopfte vorsichtig an die Tür der Fahrerkabine. Der Junge im Traktor schob das Fenster halb auf.
    »Hallo«, sagte Lennart, »viel zu tun?«
    Der Junge nickte.
    »Du fragst dich vielleicht, was ich hier mitten in der Nacht treibe?«
    Er stieg auf die erste Stufe zur Fahrerkabine und kam so fast auf gleiche Höhe mit dem Jungen. Er spürte die Wärme, die ihm aus dem Traktor entgegenschlug.
    »Mein

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