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Der Tote im Schnee

Der Tote im Schnee

Titel: Der Tote im Schnee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kjell Eriksson
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auf dem Holzweg. Ein bißchen Schnaps ab und zu, aber nichts, was seiner Arbeit im Weg gestanden hätte. Vielleicht als er noch jünger war, aber das ist längst verjährt.«
    Sagander sah Haver forschend an.
    »Sie haben nicht viel in der Hand, was?«
    »Dürfte ich ein paar Worte mit den anderen Männern wechseln? Sie haben doch mit John zusammengearbeitet?«
    »Sicher. Alle drei. Reden Sie ruhig mit ihnen.«
     
    Noch ehe Haver aufstehen und den schweißdurchtränkten Verschlag verlassen konnte, war Sagander auch schon zu seinem Schreibtisch zurückgekehrt und hatte den Ordner wieder aufgeschlagen. Als Haver die Tür hinter sich schloß, klingelte das Telefon, und Sagander riß den Hörer mit einer irritierten Bewegung an sich.
    »Die Werkstatt«, hörte Haver ihn sich melden, so als gäbe es nur eine einzige Werkstatt in der ganzen Stadt.
     
    Erki Karjalainen, der Mann mit dem Winkelschleifer, schien auf Haver zu warten, als dieser aus dem Verschlag trat, denn er signalisierte augenblicklich, daß er mit ihm sprechen wolle. Haver ging zu ihm.
    »Sie sind von der Polizei, nicht?«
    »Das ist richtig. Sieht man mir das an der Nase an?«
    Der Finne lächelte.
    »Es ist zum Heulen«, sagte er, und Haver sah, daß er meinte, was er sagte. Haver konnte den Anflug eines Zitterns im Gesicht des Mannes erkennen, das die innere Bewegung des Finnen verriet.
    »John war in Ordnung«, fuhr Karjalainen fort. Durch den finnischen Akzent klangen seine Worte noch herzlicher.
    »Ein verdammt guter Schweißer … Und ein lieber Kerl.« Er schaute zu dem Verschlag hinüber. »Ein guter Kamerad.«
    Haver rührten seine einfachen Worte. Er nickte. Karjalainen drehte sich um und beobachtete den Schweißer.
    Ist er genauso gut, wie der kleine John es war, fragte sich Haver.
    »Kurre ist gut, aber John war besser«, erklärte der Finne, als hätte er Havers unausgesprochene Frage gehört. »Es war gemein, daß er gehen mußte. Es gab noch ein bißchen Arbeit, und wir wußten, daß die Zeiten bald wieder besser werden würden.«
    »Waren Sagander und John zerstritten?«
    Erki Karjalainen machte ein nachdenkliches Gesicht, und seine Worte strahlten nicht länger die knappe Sicherheit aus, die seine Aussagen bislang geprägt hatte.
    »Es gab da was«, sagte er nachdenklich, »das nicht gut war. Ich glaube, Sagander hat die schlechte Auftragslage ausgenutzt, um John loszuwerden.«
    »Und was war nicht gut?«
    Erki Karjalainen holte eine Zigarettenschachtel aus der Brusttasche. Er rauchte Chesterfield, was Haver verblüffte, weil er nicht gedacht hätte, daß es die Marke überhaupt noch gab.
    »Gehen wir auf den Hof hinaus«, meinte Karjalainen.
    »Rauchen Sie?«
    Haver schüttelte den Kopf und folgte ihm ins Freie. Die Wolken hatten die blaue Lücke am Himmel wieder gestopft, und die Bauarbeiter machten Pause.
    »Das werden Büros«, sagte Erki.
    Er rauchte ein paar Züge. Im Tageslicht konnte Haver seine Gesichtszüge besser studieren. Er hatte ein schmales, zerfurchtes Gesicht, von Arbeit gezeichnet. Die dunklen Haare hatte er nach hinten gekämmt. Buschige Augenbrauen und schmale Lippen. Die nikotinverfärbten Zähne waren in einem schlechten Zustand. Er erinnerte Haver an einen abgedankten Schauspieler aus einem italienischen Film der fünfziger Jahre. Erki Karjalainen zog an seiner Zigarette und redete, während der Rauch aus seinem Mund quoll »Sagge ist schon in Ordnung, aber er kann auch ein mürrischer Teufel sein. Wir müssen viele Überstunden machen, und das hat John nicht gepaßt. Er hatte Familie, und je älter sein Junge wurde, desto weniger wollte John länger arbeiten.«
    »Und dann ist er aus Rache gefeuert worden, meinen Sie?«
    »Rache«, sagte der Finne und kostete das Wort. »Na ja, das ist wohl zuviel gesagt. Sagge ist einfach stur, und wer stur ist, benimmt sich oft idiotisch, handelt wider besseres Wissen.«
    »Sie meinen, daß er einen guten Schweißer verloren hat?«
    »Genau. Ich glaube, daß er es bereut hat, aber das würde er niemals zugeben.«
    »Sind Sie John noch begegnet, nachdem er hier nicht mehr arbeitete?«
    Karjalainen nickte und zündete sich mit der alten eine neue Chesterfield an.
    »Er kam ab und zu vorbei, aber er redete nie mit Sagge.«
    »Aber mit Ihnen?«
    »Mit mir.«
    Der Finne lächelte traurig und glich dadurch immer mehr einer Figur aus einem Film von Fellini.
     
    Bevor Haver die Werkstatt verließ, sprach er noch mit den beiden anderen Angestellten, Kurt Davidsson und Harry Mattzon.

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