Der tote Junge aus der Seine - Ein Fall fuer Kommissar LaBr a
von uns sollte jetzt erreichbar sein. Und lass uns zurückgehen, Fracasse. Wir müssen zu Franck und Schumann und überlegen, wie es jetzt weitergehen soll.«
Franck und Schumann waren rasch aus dem Westflügel in die erleuchtete Halle zurückgekehrt und hatten die unteren Zimmer inspiziert. Neben den Räumen, durch die sie ins Gebäude gekommen waren, gab es noch ein großes Schlafzimmer mit altem Himmelbett, Baldachin und angrenzender, geräumiger Ankleide. Offenbar das Schlafzimmer des Hausherrn, Louis Bouvier. Auf einer Konsole stand ein großer Flachbildfernseher. Daneben ein Stapel DVDs. Sie waren nicht beschriftet. In den Schränken der Ankleide hingen Mäntel und Anzüge, in offenen Regalen lagen sorgfältig gefaltete Hemden, Pullover, Socken und Unterwäsche. Von der Ankleide gelangte man ins Badezimmer. Die Armaturen von Waschbecken und Badewanne waren goldfarben, Fußboden und Wände aus Marmorplatten. Alles wirkte prunkvoll, wenn nicht protzig.
»Schick«, sagte Schumann. »Von so einem Bad hab ich immer geträumt.«
»Ist das dein Ernst?« Franck warf ihm einen ungläubigen Blick zu. »Für mich wäre so was ein absoluter Alptraum.« Schumann grinste.
Am Fußende des Bettes lagen zwei alte Wolldecken.
»Hier schlafen offenbar die beiden Köter«, sagte Franck. »Wenn sie nicht gerade das Gelände patrouillieren und die Leute anfallen.«
Vom Schlafzimmer gingen sie zurück in die Halle. In dem Moment kamen Claudine und Schumann über die Treppe nach unten. In der sicheren Gewissheit, dass sich im Hauptgebäude von Le Cloître außer ihnen kein Mensch aufhielt, tauschten sich die vier Beamten über ihre Erkundigungen aus und beratschlagten, was zu tun sei.
»Ich kann’s mir zwar nicht vorstellen«, sagte Claudine plötzlich. »Aber es gibt eigentlich nur eine Möglichkeit, wo die Kerle sein können.«
Zwei Minuten später verließen sie das Gebäude auf demselben Weg, den sie gekommen waren. An der Küchentür überzeugten sie sich, dass sie immer noch fest verschlossen war. Ein gefährliches Knurren ertönte, und sie machten sich schleunigst aus dem Staub.
Draußen im Kreuzgang empfing sie finsterste Nacht. Das Gewitter war weitergezogen. Nur hin und wieder zuckten noch Blitze in der Ferne. Der Regen hatte etwas nachgelassen, fiel jedoch immer noch reichlich.
Es hatte sich merklich abgekühlt. Die Luft roch frisch und nach nassem Laub.
Kurz darauf hatte die Dunkelheit die vier Gestalten verschluckt.
30. KAPITEL
C hantal Coquillon brauchte Hilfe. LaBréa wusste nicht, was man ihr gespritzt hatte. Als stark übergewichtige Frau litt sie vermutlich unter Kreislaufproblemen. Sie war aufs Höchste gefährdet und konnte sterben. Wenn nicht an Gift oder starken Beruhigungsmitteln, dann vielleicht an einem Herzinfarkt.
Es war kein gutes Gefühl, sie hier einfach zurückzulassen. Sie lag auf der nackten Erde, die Kälte und Feuchtigkeit waren sicher nicht gut für sie. Doch er hatte keine Wahl. Er warf einen letzten Blick auf die wie leblos daliegende Gestalt und entfernte sich.
LaBréa ahnte, warum man sie unschädlich gemacht und in dieses unterirdische Versteck gebracht hatte. Sie wusste zu viel, und sie hatte die Unvorsichtigkeit begangen, nach Le Cloître zu fahren. Warum? Wollte sie ihren Mann warnen? Ihn mit dem konfrontieren, was sie von Candice Ribanville erfahren hatte? Sie hätte sich lieber an die Polizei wenden sollen, statt sich einer Gefahr auszusetzen, die tödliche Folgen für sie haben konnte.
Nach etwa dreißig Metern endete der breite Gang plötzlich. LaBréa stand vor einer Mauer, ein Weiterkommen war nicht möglich. Gleichzeitig sah er irgendwo ein schwaches Licht. Er schaltete die Taschenlampe aus und blickte sich suchend um. Dicht unterhalb der Gewölbedecke, ungefähr
zwei Meter über dem Boden, entdeckte er eine vergitterte Öffnung. Flackernder Lichtschein drang hindurch, und jetzt vernahm er von dort auch Geräusche. Er konnte sie nicht identifizieren. Waren es Schritte? Ein leises Gemurmel von Stimmen?
Den Ausgang aus dem Stollen hatte er nicht gefunden, das stand fest. Stattdessen einen vergitterten Luftschacht, der viel zu klein war, als dass ein erwachsener Mann sich hindurchzwängen konnte. Was lag dahinter?
Sorgfältig leuchtete LaBréa die Wand ab. Es gab einige Mauervorsprünge, aber sie boten wenig Halt. LaBréa prüfte die Steine. Zwei davon, etwa einen Meter über dem Boden, ließen sich bewegen. In aller Hast lockerte LaBréa sie, bis sie sich aus der
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