Der tote Raumfahrer
betraf, so behauptete er, konnte sie die aller Computer in der Navkomm-Zentrale zusammengenommen übertreffen.
Die Konstruktion des Schiffes war stromlinienförmig und stabil. Offenbar war es auch dafür vorgesehen gewesen, durch die Atmosphäre zu fliegen und auf Planeten zu landen, ohne unter dem eigenen Gewicht zu zerbrechen.
Die ganymedische Technik schien einen Stand erreicht zu haben, in dem die Funktionen einer Wega-Fähre und eines interorbitalen Fernraum-Transporters in einem Schiff miteinander kombiniert worden waren.
Das Antriebssystem war revolutionär. Es gab keine gro-
ßen Düsenöffnungen und keine erkennbaren Brennkam-mern, die darauf hindeuteten, daß das Schiff durch irgendeine Art thermodynamischen oder photonischen Schub beschleunigt wurde. Das Hauptsystem der Brennstofftanks versorgte eine Reihe von Konvertern und Generatoren, die gewaltige Mengen elektrischer und magnetischer Energie erzeugten. Sie speisten mehrere neunzig Zentimeter dicke supraleitende Stromzuführungsschienen und ein Labyrinth aus durchschossenen Spulenwicklungen, die aus massiven Kupferbarren bestanden und das umgaben, was die Motoren des Hauptantriebs zu sein schienen. Obwohl bereits einige verwegene Theorien existierten, war sich niemand ganz sicher, wie diese Anordnung in einer Bewegung des Schiffes resultieren konnte.
Könnte dies ein wirkliches Sternenschiff gewesen sein?
Hatten die Ganymeder in Massen das Sonnensystem verlassen? In einem interstellaren Exodus? War dieses besondere Schiff auf der Flucht aus dem Sonnensystem havariert, kurz nachdem es von Minerva gestartet war? Diese Frage wartete mit noch tausend anderen auf eine Antwort. Eins aber stand fest: Die Entdeckung Charlies hatte den größten Teil Navkomms für zwei Jahre beansprucht. Hier waren genug Informationen, um die halbe wissenschaftliche Welt auf Jahrzehnte, wenn nicht Jahrhunderte hinaus zu beschäftigen.
Einige Stunden verbrachte die Gruppe in der kürzlich errichteten Laboratoriumskuppel und betrachtete die Gegenstände, die aus den Tiefen unter dem Eis hochgebracht worden waren. Darunter waren auch einige ganymedische Skelette und eine Menge irdischer Tiere. Zu Danchekkers Enttäuschung war sein spezieller Liebling – der Antropo-ide, den er vor vielen Monaten Hunt und Caldwell auf einem Bildschirm in Houston gezeigt hatte – nicht darunter.
›Cyrill‹ war für eine detaillierte Untersuchung zu den Laboratorien des Jupiter-Vier -Leitschiffes überführt worden.
Der Name war ihm von wohlmeinenden UNWO-Biologen dem Chefwissenschaftler des Projekts zu Ehren verliehen worden.
Nach dem Mittagessen in der Kantine des Stützpunkts suchten sie die Kuppel auf, die einen der Schachtzugänge bedeckte. Fünfzehn Minuten später befanden sie sich tief unter der Oberfläche des ewigen Eises und starrten ehrfürchtig auf das Schiff selbst.
Völlig freigelegt lag es in der riesigen, weißen und hell erleuchteten Höhle. Mit der Unterseite berührte es noch immer sein Eisgrab. Die Außenhülle schnitt eine gerade Schneise in den Wald aus massiven Stahlgestellen und Eis-pfeilern, auf denen das Gewicht der Decke lastete. Unter dem Gewirr aus Rampen und Gerüsten, das an der Seite haftete, waren Sektionen der Hülle entfernt worden, um die Abteilungen im Innern freizulegen. Überall war der Boden mit Maschinenteilen übersät, die von den Hochkränen heruntergelassen worden waren. Die Szene erinnerte Hunt an die Zeit, als Borlan und er das riesige Boeing-Werk nahe Seattle besucht hatten, wo die 1017-Skyliner montiert wurden. Aber hier besaß alles eine weit größere Dimension.
Sie machten eine Rundreise durch das Netz aus Lauf-planken und Leitern, das durch das ganze Schiff gezogen worden war – vom Kommandodeck mit dem fünf Meter langen Panoramabildschirm durch die Kontrollräume, Wohnbereiche und Krankenstationen bis hin zu den Laderäumen und Käfigreihen. Die Hauptsektion der Energie-konverter und -generatoren war genauso eindrucksvoll und komplex wie das Innere des thermonuklearen Kraftwerks.
Als sie durch das Schott dahinter schritten, waren sie nur noch Zwerge unter den Wölbungen der bloßgelegten Teile zweier gewaltiger Toroide. Der sie führende Techniker deutete hinauf zu den kolossalen gekrümmten Metallflä-chen.
»Die Wände dieser Außenverkleidung sind mehr als fünf Meter dick«, informierte er sie. »Sie bestehen aus einer Legierung, die Wolframkarbid-Stahl wie Sahnekäse schneiden würde. Die Massenkonzentration im Innern ist
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