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Der tote Raumfahrer

Der tote Raumfahrer

Titel: Der tote Raumfahrer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James P. Hogan
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einem Bildschirm ließ sich mit der Pracht dieses Anblicks vergleichen. Jupiter füllte den Himmel mit seinem Glanz. In den irisierenden Lichtstreifen waren alle Regenbogenfarben miteinander verflochten.
    Schicht um Schicht türmten sie sich vom Äquator aus auf.
    Sie verblaßten, als sie den Rand erreichten, verschmolzen zu einem rosafarbenen Ring, der den ganzen Planeten umgab. Aus Rosa wurde Violett und schließlich Purpur, das in einer deutlichen, scharf umrissenen Linie endete, die einen gewaltigen Kreis am Himmel beschrieb. Umwandel-bar, unveränderlich, ewig... der mächtigste der Götter. Und der winzige, schwache, kurzlebige Mensch war auf einer fast achthundert Millionen Kilometer langen Pilgerfahrt hierhergekrochen, um ihm zu huldigen.
    Vielleicht vergingen nur Sekunden, vielleicht Stunden.
    Hunt konnte es nicht sagen. Den Bruchteil einer Ewigkeit lang stand er bewegungslos da, ein verlorener Fleck unter den stillen Türmen aus Eis und Fels. Auch Charlie hatte auf der Oberfläche einer öden Wüste gestanden und zu einer Welt hinaufgestarrt, die von Licht und Farbe eingehüllt war
    – aber die Farben waren die des Todes gewesen.
    In jenem Augenblick kamen Hunt die Szenen, die Charlie gesehen hatte, eindringlicher zu Bewußtsein als jemals zuvor. Er sah Städte, die von fünfzehn Kilometer durch-messenden Glutballen verzehrt wurden; er sah klaffende Schluchten, verbrannte und geschwärzte Asche, wo einst Ozeane gewesen waren, Feuerseen, wo sich Berge befunden hatten. Er sah Kontinente platzen und auseinanderbre-chen, überschwemmt von Höllenfluten aus weißer Hitze, die von unten herauf explodierte. So deutlich, als geschähe es wirklich, sah er den riesigen Globus über ihm anschwellen und auseinanderbersten, bizarr anzusehen in der trügerischen Langsamkeit, in der gewaltige Ereignisse aus großer Ferne betrachtet stattfinden. Tag um Tag würde sich der Glutball weiter in den Raum ausdehnen, mit unersätt-licher Gefräßigkeit einen Mond nach dem anderen verzehren, bis seine Kraft erschöpft war. Und dann...
    Der Schock warf Hunt mit einem Schlag in die Wirklichkeit zurück.
    Plötzlich war die Antwort da, nach der er gesucht hatte.
    Sie war aus dem Nirgendwo gekommen. Er versuchte, sie bis zu ihren Wurzeln zurückzuverfolgen, indem er seine Gedanken kontrollierte – aber da war nichts. Die Wege, die von den unteren Bereichen seines Bewußtseins hinaufführ-ten, hatten sich ihm für eine Sekunde eröffnet. Aber jetzt waren sie ihm wieder versperrt. Die Illusion war enthüllt, das Paradoxon verschwunden. Natürlich war darauf noch nie jemand zuvor gestoßen. Wem würde es in den Sinn kommen, eine Tatsache in Frage zu stellen, die so selbstverständlich und älter als die menschliche Rasse selbst war?
    »Schachteleingang-Kontrolle ruft Dr. V. Hunt. Dr. Hunt, bitte melden.« Die plötzliche Stimme in seinem Helm erschreckte ihn. Er betätigte eine Taste der Kontrolleinheit auf seiner Brust.
    »Hunt spricht«, meldete er sich. »Ich höre.«
    »Routinecheck. Ihr Bericht ist fünf Minuten überfällig.
    Alles in Ordnung?«
    »Entschuldigung, habe die Zeit vergessen. Ja, alles in Ordnung... sehr in Ordnung. Ich komme jetzt zurück.«
    »Danke.« Ein Klicken, und die Stimme war verschwunden.
    War er schon so lange draußen? Er stellte fest, daß ihm kalt war. Die eisigen Finger der ganymedischen Nacht begannen sich ihren Weg ins Innere des Anzugs zu erta-sten. Er drehte die Heizungskontrolle ein wenig auf und beugte die Arme. Bevor er sich umdrehte, sah er noch einmal hinauf, um dem Riesenplaneten einen letzten Blick zuzuwerfen. Aus irgendeinem seltsamen Grund schien Jupiter zu lächeln.
    »Danke, Kumpel«, murmelte Hunt mit einem Zwinkern.
    »Vielleicht kann ich eines Tages auch etwas für dich tun.«
    Damit begann er vom Grat herunterzuklettern und versank alsbald im Wolkenozean.

    23
    Eine Gruppe aus rund dreißig Leuten – hauptsächlich Wissenschaftler, Techniker und UNWO-Direktoren – marschierte im Gänsemarsch in den Konferenzsaal der Navkomm-Zentrale. Die nach hinten ansteigenden Sitzreihen waren dem großen leeren Bildschirm an der der Doppeltür gegenüberliegenden Wand zugewandt. Caldwell stand auf einem erhöhten Podest vor dem Bildschirm und beobachtete, wie die verschiedenen Gruppen und Personen ihre Plätze einnahmen. Bald hatte jedermann einen Sessel gefunden, und der Türsteher im Hintergrund signalisierte, daß der Korridor draußen leer war. Caldwell nickte bestätigend, bat mit

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