Der tote Raumfahrer
Menschenaffen zuzuordnen sind. Nun, denken Sie daran, daß dieses Exemplar aus der Zeit des frühen Miozäns stammt. Das aus dieser Epoche stammende entwickelteste anthropoide Fossil, das man bisher auf der Erde fand, wurde während des letzten Jahrhunderts in Ostafrika entdeckt und ist als Proconsul bekannt. Man ist allgemein der Ansicht, daß der Proconsul eine erste Stufe über dem übrigen Tierreich steht, aber er ist zweifellos ein Affe. Auf der anderen Seite haben wir hier ein Geschöpf aus der gleichen Zeitperiode, aber mit entschieden ausgeprägteren menschlichen Charakteristika als beim Proconsul . Meiner Meinung nach nimmt dieses Geschöpf eine ähnliche evolutionäre Stellung ein wie der Proconsul , aber auf der anderen Seite der Spalte, die sich auftat, als Mensch und Affe ihre eigenen, unterschiedlichen Wege zu beschreiten begannen. Mit anderen Worten: Dies ist ein direkter Vorfahre des Menschen!« Danchekker schloß mit einem verbalen Tusch und blickte die beiden anderen Männer erwartungsvoll an. Caldwell starrte mit aufgerissenen Augen zurück, und seine Kinnlade klappte herunter, als verwegene Gedanken durch sein Bewußtsein wirbelten.
»Wollen Sie behaupten ... daß die Charlie-Leute ... von dem hier ...?«
»Ja!« Danchekker schaltete den Schirm aus und drehte sich um, um sie triumphierend anzusehen. »Die etablierte Evolutionstheorie ist so korrekt, wie ich es die ganze Zeit hindurch behauptet habe. Die Vorstellung, daß die Lunarier Kolonisten von der Erde gewesen sein könnten, hat sich als richtig erwiesen, nur in anderer Art und Weise als vermutet. Auf der Erde sind keine Spuren ihrer Zivilisation zu finden, weil sie nie auf der Erde existierte – aber sie war auch nicht das Ergebnis eines parallelen evolutionären Prozesses. Die lunarische Zivilisation entwickelte sich auf Minerva, aus der gleichen Abstammungsgruppe wie auch wir und all die anderen irdischen Wirbeltiere – von Vorfahren, die vor fünfundzwanzig Millionen Jahren von den Ganymedern nach Minerva transportiert wurden!« Danchekker schob herausfordernd sein Kinn vor und umfaßte die Aufschläge seiner Jacke. »Und das, Dr. Hunt, dürfte die Lösung Ihres Problems sein!«
16
Der Weg zur raschen Aufeinanderfolge neuer Entwicklungen war bis hierher mit den aufgegebenen Rohbauten überlebter Ideen bedeckt. Sie erinnerten die Wissenschaftler an die Fallgruben, die den Unachtsamen erwarteten, wenn der Spekulation zuviel Raum gegeben und der Phantasie gestattet wurde, sich weiter und immer weiter vom Boden belegbarer Beweise und wissenschaftlicher Haltbarkeit zu entfernen. Um dieser Tendenz Einhalt zu gebieten, stieß Danchekkers Versuch, die ganze Sache mit einem Donnerschlag zu lösen, auf allgemein zurückhaltenderen Zuspruch, als man hätte erwarten können. Inzwischen hatte man sich in so vielen Sackgassen verfranst, daß jede neue Vermutung auf instinktiven Zweifel und Forderungen nach Bestätigung stieß.
Die Entdeckung von Tieren aus der Frühgeschichte der Erde an Bord des ganymedischen Raumschiffes bewies nur eine Sache eindeutig: daß Tiere aus der Frühgeschichte der Erde an Bord des ganymedischen Raumschiffes waren. Sie bewies nicht zweifelsfrei, daß andere Warensendungen Minerva sicher erreicht hatten. Oder natürlich, ob diese besondere Sendung jemals für Minerva bestimmt gewesen war. Überhaupt schien der Jupiter ein seltsamer Ort für das Auffinden eines Schiffes zu sein, das von der Erde nach Minerva unterwegs gewesen war. Sie bewies also nur, daß diese Warensendung niemals ihren Bestimmungsort erreicht hatte, welcher immer das auch gewesen war.
Danchekkers Schlußfolgerungen über den Ursprung der Ganymeder fanden jedoch volle Zustimmung bei einer Londoner Gruppe von Experten der vergleichenden Anatomie. Sie bestätigte die Verwandtschaft zwischen dem Ganymederskelett und dem minervianischen Fisch. Die Folgerung aus diesem Tatbestand war, daß sich die Lunarier von verschleppten irdischen Vorfahren ebenfalls auf Minerva entwickelt hatten. Sie erklärte das Nichtvorhandensein lunarischer Spuren auf der Erde und das offensichtliche Fehlen entwickelter Raumfahrttechnologie, aber sie benötigte weitaus mehr konkrete Beweise.
In der Zwischenzeit hatten sich die Linguistiker eifrig bemüht, ihre neuen, von der Mikropunkt-Bibliothek stammenden Kenntnisse auf das letzte ungelöste Rätsel unter Charlies Papieren anzuwenden: das Notizbuch mit den handschriftlichen Eintragungen. Das, was zum Vorschein kam,
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