Der tote Raumfahrer
umfangreiche Erzadern gefunden werden konnten. Wenn dies der Fall war, dann konnte der Mond innerhalb von Jahrzehnten zu einer gewaltigen Raumschiffswerft werden, in der Teile in Fertigungsanlagen auf der Oberfläche vorfabriziert und dann zur Endmontage in die Umlaufbahn transportiert wurden. Die ökonomischen Vorteile, Fernraumschiffe hier und aus Rohmaterialien des Mondes zu konstruieren, ohne alles aus dem Gravitationsfeld der Erde hierherschaffen zu müssen, versprachen gewaltig zu sein.
Als nächstes reiste Hunt zu den riesigen optischen Radioobservatorien von Giordano Bruno auf der Mondrückseite. Gigantische Teleskope, die durch keine Atmosphäre mehr behindert und deren Meßdaten nicht mehr durch das Eigengewicht entstellt wurden, und empfindliche Empfänger, die hier von den unablässigen irdischen Interferenzen abgeschirmt waren, schoben die Grenzen des bekannten Universums weit über die Schranken hinaus, die ihren erdgebundenen Vorgängern auferlegt gewesen waren. Hunt saß fasziniert vor den Bildschirmen und suchte die Planeten einiger naher Sterne heraus. Man zeigte ihm einen, der neunmal so groß wie Jupiter war, und einen anderen, der auf einer verrückten achtphasigen Bahn einen Doppelstern umkreiste. Er blickte tief ins Herz der Andromeda-Galaxis, betrachtete ferne Fleckchen an der äußersten Grenze des Erkennbaren. Wissenschaftler und Physiker beschrieben das neue, seltsame Bild des Kosmos, das sich aufgrund ihrer Arbeiten hier abzuzeichnen begann, und erklärten einige ihrer aufregenden Fortschritte im Verständnis der Raum-Zeitmechanik. Möglicherweise ließen sich bald Methoden für die Umgestaltung der astronomischen Geodäsie entwickeln. Bisher hatte man immer geglaubt, extrem hohen Geschwindigkeiten sei eine oberste Grenze gesetzt, doch vielleicht konnte man sie umgehen. Falls ja, dann würde die interstellare Reise zu einem durchführbaren Vorhaben werden. Einer der Wissenschaftler sprach die Überzeugung aus, daß der Mensch in fünfzig Jahren die Galaxis durchqueren würde.
Hunts letztes Ziel brachte ihn zurück auf die erdzugewandte Seite – zur Kopernikus-Basis, in deren Nähe Charlie gefunden worden war. Die Wissenschaftler von Kopernikus hatten die Beschreibungen des Terrains, über das Charlies Reise geführt hatte, und die beigefügten Skizzen studiert. Die Informationen, die das Notizbuch enthielt, waren ihnen von Houston übermittelt worden. Aus den Reisezeiten, Entfernungen und Schätzungen über die Durchschnittsgeschwindigkeit hatten sie die Vermutung abgeleitet, daß Charlies Reise irgendwo auf der Mondrückseite begonnen und ihn dann über die Juraberge, das Sinus Iridum und Mare Imbrium zum Kopernikuskrater geführt hatte. Diese Auffassung wurde jedoch nicht von allen geteilt. Es gab ein Problem. Aus irgendeinem Grunde standen die in Charlies Notizen erwähnten Richtungen und Kompaßstriche in keiner Beziehung zum lunaren Nord-Südverlauf, der auf der Rotationsachse beruhte. Die einzige Route für Charlies Reise, die überhaupt einen Sinn ergab, war die von der Mondrückseite durch das Mare Imbrium. Aber selbst die ergab nur einen Sinn, wenn eine völlig neue Richtung für den Verlauf der Nord-Südachse angenommen wurde.
Die Versuche, Gorda zu lokalisieren, waren bisher nicht von Erfolg gekrönt gewesen. Aus der Ausdrucksweise der letzten Tagebucheintragungen ging hervor, daß Gorda nicht sehr weit von der Gegend entfernt gewesen sein konnte, in der Charlie gefunden worden war. Gut fünfundzwanzig Kilometer von diesem Punkt entfernt befand sich ein Gebiet, in dem man auf zahlreiche, sich überlappende Krater stieß. Alle waren jüngeren Ursprungs und als meteoritisch klassifiziert. Die meisten Forscher folgerten, daß dies der Standort Gordas gewesen sein mußte und daß die lunarische Basis von einem zufällig eingeschlagenen Schwarm aus dem bisher noch immer unerklärlichen Meteoritensturm total zerstört worden war.
Bevor er Kopernikus verließ, nahm Hunt eine Einladung zu einem Überlandausflug an, um den Ort zu besuchen, an dem man Charlie entdeckt hatte. Er wurde von einem Professor Alberts aus dem Stützpunkt und der Mannschaft eines UNWO-Vermessungsfahrzeugs begleitet.
In einer ausgedehnten Schlucht, zwischen zerklüfteten Wänden aus schiefergrauem Fels, kam das Vermessungsfahrzeug rumpelnd zum Stehen. Überall um sie herum war der Staub von Gleisketten, Rädern, Fahrgestellen und menschlichen Füßen zu einem verwirrenden Muster aus Furchen und Rillen
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