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Der Tote trägt Hut

Der Tote trägt Hut

Titel: Der Tote trägt Hut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Cotterill
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Opa Jah und ich. Kow, der Tintenfischkapitän, verkaufte auf der anderen Straßenseite von seinem Beiwagen aus Fischfrikadellen.
    »Schon gehört?«, rief er.
    »Ich hör nie irgendwas«, sagte ich, obwohl das überhaupt nicht mehr stimmte.
    »Oben im wat Feuang Fa wurde ein Abt ermordet. Aufgeschlitzt von einer Nonne.«
    Wie machte er das? Nachts fischte er im leeren Meer, und tagsüber fuhr er auf seinem Moped herum. Wieso war er der Welt immer um eine Nasenlänge voraus? So viel zum Sinn und Zweck der Nachrichtensperre. Wenn Käpt’n Kow es wusste, würde es nicht mehr lange dauern, bis sämtliche Zeitungen im Land es erfuhren. Ich hatte ein Problem. Der Großteil meines Artikels war geschrieben, aber ich hatte noch kein Ende. An vielen Stellen hatte ich Platz für aktuelle Erklärungen der Polizei gelassen und mir alle Mühe gegeben, meine Nonne nicht zu belasten. Ich wusste, dass die anderen Käseblätter nicht so zartfühlend wären. Nein, ich wollte noch nichts wegschicken. Ich hoffte, die Nachrichtensperre würde genügend Druck auf die Presse ausüben, dass die Story noch mindestens vierundzwanzig Stunden nicht auf den Titelseiten landete. Aber bis dahin musste ich alles geklärt haben. Schließlich war es meine Story.
    Der Nachmittag zog sich in die Länge wie ein Nylonnetz, in dem nur eine einzige Sprotte hing. Boote schaukelten. Palmen schwankten. Wolken hingen fest. Wie lange konnte es dauern, einen Mordverdächtigen zu verhören? Na gut – Wochen, ja. Es konnte ewig dauern. Aber der Mann war nur ein Chauffeur. Er konnte nicht so viel zu sagen haben. Mair und ich sahen uns an, wie die Familie aus Zimmer zwei auszog, und beschlossen, ihnen kein Geld abzuverlangen. Das war das Mindeste, wenn wir ihren Traum schon zum Platzen brachten. Ich war mir sicher, dass wir ihnen einen Gefallen getan hatten. Wir bedankten uns bei ihnen dafür, dass sie den Spülkasten repariert und uns Freiheit angeboten hatten. Der Vater gab mir seine Visitenkarte, für alle Fälle … Ich erklärte ihm, ich könnte wirklich nichts für ihn tun, und steckte seine Karte ein.
    Und wir warteten, Opa Jah und ich. Ein Lieferwagen mit einem Lautsprecher schlich vorbei und bot an, Altmetall und Flaschen und Blechdosen und kaputte Motoren mitzunehmen. Der Fahrer hätte sich ohne Weiteres aus dem Fenster lehnen und freundlich fragen können, aber er hatte die Anlage so laut gedreht, dass unsere Scheiben klirrten und ich fast das »Mamma Mia«-Klingeln überhörte. Ich drückte auf das Telefon.
    »Ja?«
    »Ich.« Es war Chompu. »Lang Suan hat uns eben per E-Mail die Digitalaufnahme des Verhörs geschickt. Ich habe sie Ihnen weitergeleitet.«
    Die Großstädterin in mir erschrak darüber, dass man in Lang Suan eine Ahnung von der digitalen Welt haben sollte.
    »Was? Wie denn? Wir haben hier kein Internet«, erinnerte ich ihn.
    »Dann fahren Sie irgendwohin, wo Sie online gehen können.«
    Wir tuckerten auf dem Moped vor uns hin, ich auf dem Rücksitz, Opa Jah am Lenker. Ich hatte gedacht, Aufregung und Eile würden ihn über sechzig Stundenkilometer treiben, aber nein. Gesetz war Gesetz. So kurzfristig hatten wir nur eine Möglichkeit, meine Mails zu checken. Es war fünfzehn Minuten vor vier an einem Sonntagnachmittag, und ich wusste, dass das Internetcafé von lauter kleinen Sternenkriegern überlaufen wäre. Leider hatte ich unterschätzt, wie viele tatsächlich dort sein würden. Die Reihe der Mopeds vor dem Laden zwang uns, vierzig Meter abseits zu parken. Wir drängten durch einen Pulk junger Leute hinein, die nicht wussten, wohin sie sonst sollten. Der Besitzer, ein Bursche mit langen Haaren und Akne wie eine Mondlandschaft, blickte kurz von seinem Notebook auf, als wir eintraten, dann wendete er sich wieder ab, als hätte der Wind die Tür aufgeweht. Alle fünf Computer waren besetzt von jeweils zwei bis drei Teenagern, die damit beschäftigt waren, Burgen zu erstürmen oder Horden von Schurken zu massakrieren.
    »Wie lange müssten wir warten?«, fragte ich den Besitzer.
    Der Mann zuckte mit den Schultern. Jetzt machte er sein bestes Geschäft – frühabends und an Wochenenden. Bei zwanzig Baht pro Stunde konnte er an einem Abend wie diesem ohne Weiteres – äh – hundertzwanzig Baht pro Computer einnehmen. In dreiundsiebzig Jahren hätte er die Geräte abbezahlt. Ein erstaunliches Geschäft.
    »Also gut«, rief ich. »Wer wäre bereit, für … fünfzig Baht einen Computer frei zu machen?«
    Alle wendeten sich wieder ihren

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