Der Tote trägt Hut
vierunddreißig Jahre gedauert, um so weit zu kommen.
»Ich habe einen Mann angeheuert«, sagte Mair.
»Um was zu tun?«
»Er ist Privatdetektiv.«
»Du hast einen …?«
Ich staunte. Nicht so sehr, dass Mair einen brauchte, sondern dass sie an einem Ort wie diesem einen gefunden hatte. Und wann denn?
»Gestern Abend hast du gar nichts davon erzählt«, sagte ich.
»Da hatte ich ihn noch nicht angeheuert.«
»Mair, ich habe gesehen, wie du ins Bett gegangen bist. Wo und wie hast du zwischen jetzt und eben einen Privatdetektiv gefunden?«
»Ed, der Grasmann, kannte jemanden.«
»Und du hast schon Kontakt mit ihm aufgenommen?«
»Ed ist auf dem Heimweg bei ihm vorbei. Du würdest staunen, wie viel frühmorgens in Maprao schon los ist. Wir sollten alle früher aufstehen.«
»Willst du mir erzählen, dass es in Maprao einen Privatdetektiv gibt?«
»Meng.«
Ich durchforstete die Namen, die ich kannte. Es konnte nicht so schwer sein. Nach offiziellen Angaben lebten in unserem Distrikt fünftausend Menschen, aber mir schien, da waren auch alle mitgezählt, die hier früher mal gewohnt hatten. Ich war mir sicher, alle Gesichter gesehen zu haben, die es hier zu sehen gab. Ein paar Hundert höchstens.
»Doch nicht etwa Meng, der mit den Plastikmarkisen?«
»Genau der.«
»Mair …« Ich setzte mich auf den kleinen Schemel vor meinen Füßen. »Er ist der richtige Mann für Plastikmarkisen. Er baut sie einem an. Das ist sein Beruf.«
»Und Jalousien.«
»Auch das. Sag mal, woher nimmt er bei seinem übervollen Plastikmarkisenkalender denn die Zeit, nebenher noch als Privatdetektiv zu arbeiten?«
»Es gibt hier für Detektive nicht viel zu tun.«
»Selbstverständlich nicht.« Ich sprach leiser. »Natürlich gibt es nicht viel zu tun für einen Privatdetektiv, der Plastikmarkisen anschraubt. Wer sollte ihn engagieren?«
»Das macht Ed.«
»Ed, der Rasenmähermann, hat Meng, den Plastikmarkisenmann, als Privatdetektiv engagiert?«
»Er meint, er ist sehr gut.«
Ich schätze, ein Tag, der anfing wie dieser, konnte sich wohl nur in eine Richtung entwickeln.
»Wofür, Mair, hat Ed einen Detektiv engagiert?«
»Um seine Frau zu suchen.«
»Oh, super. Super. Du willst mich mit einem verheirateten Rasenmähermann verkuppeln.«
»Er ist nicht mehr verheiratet.«
»Und wieso nicht?«
»Weil Meng seine Frau gefunden hat. Sie lebte mit einem Glaser in Lang Suan zusammen. Meng hat Fotos gemacht. Inzwischen sind sie geschieden.«
Ich war erschöpft.
»Das hast du alles heute Morgen rausgefunden?«
»Ich finde, wir sollten alle bei Sonnenaufgang aufstehen.«
»Wie viel sollst du dem Privatdetektivplastikmarkisenmann denn bezahlen?«
»Er sagt, das bleibt mir überlassen. Ich kann ihm geben, was ich möchte. Je nachdem, was mir die Information wert ist.«
»Na, da bin ich aber erleichtert. Und auf welche Informationen hast du es speziell abgesehen?«
»Ach, nur Klatsch und Tratsch.«
Sie war so durchschaubar, dass ich die Sardinendosen hinter ihr erkennen konnte.
»Mair?«
»Ganz normale Sachen eigentlich. Wer wohnt wo? Wovon leben sie? Ob sie ein Boot oder ein Auto haben. Wo man Haushaltswaren bekommen kann, so was wie Mauersteine oder Dünger oder Zement …«
»Mair?«
»… oder Rattengift.«
Kapitel 6
»Ich bin jemand, der die Irrigkeit der Menschen erkennt.«
George W. Bush
Oprah, 19. September 2000
L ieutenant Chompu kutschierte mich quer durch den langen Südzipfel des Landes. Betrachtet man die Karte von Thailand, so befanden wir uns genau da, wo die Taille am schmalsten ist. Seit dem 17. Jahrhundert war die Rede davon, einen Kanal vom Golf zur Westküste zu bauen, doch um ein derart langwieriges Projekt zu starten, wäre es vermutlich hilfreich, wenn man eine Regierung hätte, die länger als fünf Monate im Amt ist. Sollte es je dazu kommen, wären sie hier genau richtig. Hier gab es viel hübsche Natur, die man umgraben konnte. In einem klimatisierten Polizeiwagen mit Mai Charouenpura im CD-Player und einem kleinen, erdbeerförmigen Lufterfrischer am Armaturenbrett dauerte die Fahrt von Küste zu Küste etwa eine Dreiviertelstunde. Chompu fuhr wie ein Irrer.
Die Polizei von Pak Nam in meine Erkundigungen mit einzubeziehen barg ein kalkulierbares Risiko. Falls wir hier blieben, ich meine, falls meine Familie nicht wegzog oder als Mitwisser an Mairs Fememord im Gefängnis landete, würde ich im örtlichen Revier Freunde brauchen. Ich beschloss, meine Informationen über die Familie
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