Der Tote trägt Hut
da draußen? Stößt du an der nächsten Straßenecke mit deinen Weltbürgern zusammen?«
»Wir haben einen Dachgarten. Um drei oder vier Uhr nachts gibt es da frische Luft.«
»Restaurants? Bars? Wartende Kunden in der Bank? Überfüllte Einkaufszentren? Menschliche Gesellschaft?«
»Bist du jetzt Mutters Sprachrohr?«
»Ich mache mir Sorgen um dich. Was war das noch für ein Film über die Frau, die nicht mehr vor die Tür ging und aß und aß und immer dicker wurde, bis sie das ganze Zimmer ausfüllte und dann explodierte?«
»Ja. Ich erinnere mich. Es war einer von Audrey Hepburns besten Filmen.«
»Sissi. Ich glaube, Mair hat was Schlimmes angestellt. Ich habe Angst.«
Es blieb still in der iFurn-Leitung, dann sagte sie: »Na, gut. Lass hören.«
Ich erzählte ihr alles: von John und dem Markisendetektiv, vom Gift und Mairs frühmorgendlicher Ninja-Show.
»Ich habe die schreckliche Befürchtung, dass sie jeden in Maprao ausrottet, der eine bestimmte Sorte Insektenkiller gekauft hat. Und wir reden hier von Hunderten potenzieller Opfer.«
»Hm. Völkermord im Dschungel. Ist denn schon jemand tot aufgefunden worden?«
»Nein.«
»Na, dann viel Glück. Sie wird damit durchkommen. Sie ist ausgebufft genug, ihre Spuren zu verwischen, und wir haben ihr schon immer gesagt, dass sie sich ein Hobby suchen soll.«
»Du hältst mich für paranoid, oder?«
»Nein. Ich halte dich für total bescheuert. Mair ist ein bisschen seltsam. Aber man ist nicht gerade eben noch schrullig und löscht im nächsten Moment ein halbes Dorf mit Rattengift aus. Ich glaube eher, du bist jetzt lange genug da unten in Uga-Buga-Land. Es wird Zeit, dass du nach Hause kommst. Ich habe hier ein Gästezimmer und ein ganzes Regal voller Filme, die du noch nicht gesehen hast. Wir können Absolut-Wodka trinken, uns auf uTorrent alte Folgen von Wagon Train ansehen und mit Schokolade vollstopfen.«
Ich seufzte. Es klang vielversprechend. Eine echte Versuchung. Aber ich hatte noch einiges zu erledigen.
»Na gut«, sagte ich. »Das klingt nach einer Option. Aber lass mich erst mal diese Morde klären. Ist dir irgendwas zu meinem toten Abt eingefallen?«
»Ich hatte einen Geistesblitz«, sagte sie. »Ich bin bei einer Website namens Police Beat angemeldet. Das ist wie Facebook, aber für alle, die was mit der Polizei am Hut haben. Größtenteils alte Bullen, im Ruhestand oder im Dienst – unattraktive Polizisten auf der Suche nach Frauen, die auf Uniformen stehen. Deshalb bin ich jedenfalls dabei. Aber da gibt es auch eine interessant gemischte Klientel. Ein paar Polizistinnen, Staatsanwälte, Krimiautoren, die Hinweise aufschnappen wollen, hin und wieder eine Nutte, die ihre Werbung diskret als Chat verpackt. Am faszinierendsten finde ich allerdings, dass die Seite international ist. In grausamem Englisch wird über Recht und Ordnung diskutiert und sich über Polizeitechniken ausgetauscht. Ich schätze, da draußen gibt es eine Menge Leute, denen überhaupt nicht klar ist, worum es bei dieser Seite eigentlich geht. – Mein Name bei Police Beat ist Elena. Ich bin eine russische Kripobeamtin, die im Bandenkrieg ein Bein verloren hat. Aber ich bin hinreißend schön, und die edlen Polizisten sind gern bereit, über meinen Stumpf hinwegzusehen. Du wärst überrascht, was für Informationen die einbeinige Elena hervorkitzeln kann. Jedenfalls gibt es da diesen Chatroom, in dem offene Fälle diskutiert werden. Also habe ich unseren Tempelmord und die komische Sache mit dem Hut erwähnt und gefragt, ob jemand irgendwelche ähnlich gelagerten Hass/Hut-Geschichten kennt.«
»Du meinst, für den Fall, dass es einen weltweit agierenden Serienmörder gibt, der seinen Opfern Hüte aufsetzt, bevor er sie erdolcht? Sis?«
»Du hast gesagt, ich soll querdenken.«
»Nicht kreuz und quer.«
»Schön. Wenn du meine Hilfe nicht möchtest, dann kann ich ja …«
»Entschuldige. Tut mir leid. Du hast recht. Ich meine, du hast absolut recht. Also? Irgendwas gefunden?«
»Noch nicht. Ich habe mir von einem versoffenen Exdetective in Südkalifornien detailliert von einer Performance-Künstlerin erzählen lassen, die überfahrenen Tieren Partyhütchen aufgesetzt hat, um sie zu fotografieren. Es gab sogar eine Ausstellung. Näher bin ich dem Thema noch nicht gekommen. Aber das Netzwerk ist riesig. Es wird etwas dauern.«
»Ich vertraue dir.«
»Solltest du auch.«
»Was macht dein Job als Web-Idol?«
»Wir haben Streit.«
»Schon?«
»Sie wollen, dass
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