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Der Tote unter der Piazza - Ein Neapel-Krimi (German Edition)

Der Tote unter der Piazza - Ein Neapel-Krimi (German Edition)

Titel: Der Tote unter der Piazza - Ein Neapel-Krimi (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Krohn
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sein können – sie gehörte nicht zu den Menschen, die sämtliche Autotypen sofort erkannten – und am Ende der Villa links in Richtung Piazza Vittoria abbog, dann in Gegenrichtung die Riviera di Chiaia zurückfuhr. Livia gab Gas, doch in dem Moment, als sie ebenfalls in die Riviera di Chiaia einbiegen wollte, kam eine Straßenbahn aus der Via Chiatamone und nahm ihr die Sicht. Es war wie verhext. Als die Straßenbahn vorbeigezuckelt war, war das blaue Auto natürlich nicht mehr zu sehen. Livia fluchte erneut.
    Marlen schlug vor, in die erste Gasse rechts ins Häusermeer des Viertels Chiaia einzubiegen, wo sich auch die Filiale des Weinladens befand. Vielleicht waren Fiorilla und Agnese dorthin gefahren? Die nächste Querstraße war bereits die Via Carlo Poerio. Und tatsächlich sahen sie den dunkelblauen Alfa, wie er sich im Schneckentempo in Zentimeterarbeit zwischen einem Lieferwagen und einer Phalanx geparkter Autos hindurchschob. Livia bremste ab, fuhr, um nicht aufzufallen, in eine Einfahrt, passierte dann gemütlich den Lieferwagen. Der blaue Alfa fuhr jedoch am Laden vorbei, bog in die erste Gasse rechts, dann links, dann wieder rechts und am Ende der Gasse noch einmal rechts in die Via Cavallerizza, wo er im Innenhof eines auf der linken Seite gelegenen Palazzo verschwand.
    Livia parkte die Vespa vor der Vitrine eines Schuhgeschäfts, und sie gingen die letzten fünfzig Meter zu Fuß. Sie winkte einen ungefähr zehn Jahre alten Jungen heran, der mit seinem Plastikschwert in die Luft drosch und unsichtbare Feinde zerfleischte. Er solle in den Innenhof gehen und nachsehen, ob dort ein dunkelblaues Auto stand, ob jemand im Auto saß oder sich im Hof befand. Blitzschnell war der Junge zurück, lieferte seine Informationen ab und erhielt einen Tausendlireschein. Die Luft war rein.
    Marlen zog los, den Palazzo zu erkunden, in dem es zwei Aufgänge gab. Der Alfa leer. Kein Koffer, keine Tasche, kein in Zeitungspapier eingeschlagenes Gemälde – nichts dergleichen.
    Eine der zwei Glastüren, hinter denen die Treppenaufgänge begannen, fiel mit einem vernehmbaren Knall ins Schloß. Marlen fuhr zusammen. Es war eine ältere Frau mit Handtasche und zeitlosem Kostüm, die Marlen eher mißtrauisch als neugierig fragte, ob sie jemanden suche. Marlen nannte irgendeinen Namen, zeigte auf die hinter Fensterläden verschlossenen Fenster. Die Frau runzelte die Stirn, schnalzte verneinend mit der Zunge. Da müsse sie in einem anderen Palazzo suchen. Und das Auto? Ob sie wisse, wem das blaue Auto gehöre? Die Frau schnalzte erneut mit der Zunge. Niemandem, der hier wohnte. Vielleicht irgendwelchen Verwandten, die gerade zu Besuch waren.
    Währenddessen hatte Livia das Gemüsegeschäft schräg gegenüber betreten, Orangen und Artischocken gekauft und die Ladenbesitzerin in ein Gespräch verwickelt. Wie gut die Artischocken aussähen, daß sie in den Quartieri knappe fünfhundert Lire mehr kosteten und daß man hier unten im Viertel Chiaia sicherlich angenehmer wohne, so nah am Meer, nur zu schade, daß man heutzutage nicht mehr gleich hier unten baden könne … Schließlich fragte Livia wie nebenbei nach der großen Frau mit den kurzen Haaren, die in dem Palazzo schräg gegenüber wohnte. Die Frau wollte erst den Kopf schütteln, legte dann den Finger auf den Mund und winkte Livia näher zu sich heran. Das sei doch die Witwe. Livia machte große Augen. Welche Witwe? Na, die aus der Zeitung. Die vom unterirdischen Toten. Tatsächlich? Nicht zu fassen. Livia kniff die Augen zusammen. »Wohnt sie denn hier?«
    Die Frau schüttelte erneut den Kopf. Nicht die Witwe, aber die Großtante dieses Weinhändlers. Ihr gehöre das ganze obere Stockwerk. Auch die Polizei sei schon einmal dagewesen. Die Witwe komme jetzt häufiger zu Besuch. Das sei ja auch ganz natürlich, schließlich lebe die Großtante alleine. Eine gehbehinderte alte Dame, die ihre Wohnung schon seit Jahren nicht mehr verlasse. »Da freut man sich über jeden Besuch. Una donna perbene. Una vera signora. «
    Livia nickte, nahm Anteil am Schicksal der Großtante von Umberto Cacciapuoti, das ihr unter dem Siegel des Stillschweigens unterbreitet wurde, bis eine andere Frau aus der Nachbarschaft den Laden betrat und sich im Nu herausstellte, daß auch diese Kundin längst eingeweiht war. Man kannte sich aus im Viertel, in dem man wohnte, wußte voneinander, ohne sich einzumischen, verweilte gern auf der Schwelle zwischen Klatsch, verschwörerischer Intimität und

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