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Der Tote unter der Piazza - Ein Neapel-Krimi (German Edition)

Der Tote unter der Piazza - Ein Neapel-Krimi (German Edition)

Titel: Der Tote unter der Piazza - Ein Neapel-Krimi (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Krohn
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war nicht sehr groß, vielleicht sechzig, siebzig Zentimeter, und halb von einer Grünpflanze verdeckt, die rechts der Tür stand: Es war eine der neun Marmorstatuen, die vor ein paar Jahren aus einer Villa in Portici gestohlen worden waren. Livia war sich ganz sicher. Ihr fotografisches Gedächtnis trog sie nie. Vielleicht hätte sie sich nicht so genau erinnert, wenn sie nicht vor kurzem erst im Rahmen der geplanten Ausstellung über die verschwundenen Kunstwerke Furti d’Arte sämtliche Fotos gesichtet hätte, die in der Begleitbroschüre abgedruckt werden sollten.
    Nicht zu fassen! Genau diese Statue – Marmor, schmutzigweiß, blicklos, abgebrochene Nase –, die Livia sich in allen Details aufmerksam ansah, um die Sache im Büro noch mal überprüfen zu können, dieses Diebesgut befand sich in der Wohnung ihres Liebhabers.
    Eine halbe Stunde später hockte Livia bereits an ihrem Schreibtisch vor dem Bildschirm. Fieberhaft ging sie die Dateien durch. Ansichten einer Sache konnte sie sich merken, bei Daten, Zahlen, Stichworten war sie verloren. Sie trommelte ungeduldig mit den Fingern auf den Tisch und fand den Computer auf einmal hoffnungslos langsam und veraltet, während sie sonst über unsinnige hochtechnologische Neuerungen zu schimpfen pflegte. Endlich. Sie hatte sich nicht getäuscht. Die neun Renaissancestatuen Erato, Euterpe, Kalliope, Klio, Melpomene, Polyhymnia, Terpsichore, Thalia, Urania, Abbildungen der Töchter des Zeus und der Mnemosyne, so hieß es im kleingedruckten Infotext, waren am fünften Dezember 1990 unter nicht geklärten Umständen aus der Villa Cecilia in Portici gestohlen worden. Keine von ihnen war bisher wiederaufgefunden worden. Ihre Statue, das heißt die Statue aus Jeans Wohnung, war die dritte in der Reihe der Musen: Kalliope, die Muse der erzählenden Dichtung.
    Livia mußte sich sehr zusammennehmen, um nicht aufzuspringen und den Fund an Ort und Stelle auszuposaunen. Aber was war mit Jean? Wußte er, daß Diebesgut in seinem Wohnzimmer lagerte? Von wem hatte er die Statue gekauft? In der Aufregung rief sie im französischen Kulturinstitut an und mußte sich anhören, daß monsieur le directeur zur Zeit in einer Besprechung sei. Sie hinterließ ihre Telefonnummer und bat um dringenden Rückruf.
    Sie sagte sich zur Beruhigung, daß es immer wieder vorkomme, daß gestohlene Kunstobjekte über diverse Zwischenhändler »gesäubert« und an Privatleute verkauft wurden. Jean mußte nicht zwingend etwas mit kriminellen Machenschaften zu tun haben. Nicht einmal der Händler, von dem er die Statue erstanden hatte, mußte direkt beteiligt sein – höchstens »ein bißchen«, um fünf Ecken. Doch wer wollte dieses »bißchen« in Prozenten ausdrücken und vor allem strafrechtlich erfassen? Mit dem Kunstdiebstahl war es wie mit diesen russischen Puppen: hatte man die erste Schicht geknackt, kam eine zweite zum Vorschein, darunter eine dritte, bis man nach vier, fünf, sechs Püppchen zu einer Miniaturgestalt vordrang – die Drahtzieher im Kunstraubgewerbe wurden von vielerlei anderen schillernden Figuren geschützt, mit dem feinen Unterschied, daß die Polizei selten bis zu ihnen, bis zum Kern der Organisation vordrang, sondern höchstens einige der äußeren Püppchen schnappte.
    Die Tür ging auf, Roberto kam mit einem Kuvert in der Hand ins Zimmer, blieb, als er Livia erblickte, wie angewurzelt stehen. »Ich dachte, Sie sind krank«, sagte er überrascht.
    »War ich auch«, murmelte sie und tat beschäftigt. Zu dumm, daß man den Bildschirm nicht wie Geheimdokumente, Liebesbriefe oder einen spannenden Krimi, den man unbedingt, und sei es während der Arbeit, weiterlesen mußte, unter andere Papiere schieben konnte, damit er unsichtbar wurde. Auch zum Schließen der Datei war es zu spät. Jeder, der hereinkam, konnte auf der Stelle sehen, woran Livia gerade arbeitete – und das war ihr gerade jetzt nicht recht. Sie drehte dem Schreibtisch den Rücken zu, als könne sie ihn damit verstecken. Sie lächelte. »Es war so viel zu tun, da dachte ich, ich komm lieber doch und…«
    Ausgerechnet heute war Roberto im Büro, und ausgerechnet heute stand ihm der Sinn nach einem kleinen Plausch. Ganz im Gegensatz zu Livia. Sie hatte andere Dinge im Kopf. Die Statue. Jeden Moment konnte Jean anrufen. Aber offenbar wollte Roberto die angekokelte Stimmung, die seit dem Patzer mit der unterirdischen Ausstellung zwischen ihnen herrschte, mit ein paar netten Worten aus der Welt räumen. Eine

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