Der Tote vom Kliff
Richtungen«, wich Lüder aus.
»Ich kann mir nicht vorstellen, dass Herr Fixemer zu
einer solchen Tat fähig ist. Ein ausgesprochener Familienmensch, der sich
außerdem für seine Mitbürger aufreibt. Die Firma kümmerte sich früher um die
Mitarbeiter und entließ diese nicht ohne Not. Dafür blieben die Angestellten
dem Unternehmen dauerhaft treu verbunden. Fixemer war immer loyal, aber es ist
ihm nie gedankt worden. Mehr kann ich Ihnen nicht sagen.« Der Arzt stand auf
und gab zuerst Große Jäger, dann Lüder die Hand. »Wenn ich Rechtsmediziner
wäre«, sagte Dr. Tröger, als er die beiden Beamten zur Tür begleitete, »würde
ich bei Hubert Fixemer nach Spuren von Beruhigungsmitteln suchen und mir die
Blutwerte gründlich ansehen, die auf eine Kombination von Alkohol und
Medikamenten schließen lassen.«
»Benzodiazepine?«, fragte Lüder.
»Das ist ein Wirkstoff, der bei Anspannungen verordnet
wird«, wich der Arzt aus.
»Flunitrazepam?«
Der Arzt schüttelte den Kopf. »Ich fürchte, Ihre
Fragen gehen zu weit. Vielleicht kann der Rechtsmediziner diese beantworten.«
Sie hatten die Tür zur Praxis noch nicht geschlossen,
als Große Jäger sagte: »Flunitrazepam aus der Gruppe der Benzodiazepine hat man
doch bei Lew Gruenzweig gefunden. Damit ist der Amerikaner ruhiggestellt
worden, bevor ihm die Halskrause aus Champagnerflaschen um den Hals gelegt
wurde.«
Lüder nickte. »Fixemer hatte folglich Zugriff auf
diese Medikamente und wusste um deren Wirkung. Und er hatte einen triftigen
Grund, Gruenzweig und dessen Geschäfte zu hassen.« Lüder zeigte mit dem Daumen
über die Schulter. »Mich wundert nicht, dass Dr. Tröger überlastet ist. Das
muss ein guter Arzt sein. Er hat die Schweigepflicht bewahrt, aber seinem
Patienten in einer kritischen Lage dennoch geholfen.«
Dann rief er die Rechtsmedizin in Kiel an und bat um
eine entsprechende Analyse.
»Sie haben Glück«, sagte Dr. Diether.
»Haben Sie das Ergebnis schon vorliegen?«, fragte
Lüder erstaunt.
»Das nicht. Aber unsere Kundschaft rekrutiert sich
normalerweise nicht aus dem Kreis lebendiger Wesen, wenn Sie von den
standardmäßigen Labortests absehen.«
»Davon spreche ich«, erwiderte Lüder.
»Habe ich verstanden«, sagte der Rechtsmediziner
ungerührt. »Meine Feststellung, Sie hätten Glück, bezieht sich darauf, dass wir
in diesem Fall keine Blutproben in Neumünster anfordern müssen.«
Lüder stutzte. Der Kieler Pathologe war für seinen
rabenschwarzen Zynismus bekannt, den man auch Lüder nachsagte. Nathusius
meinte, die beiden würden in diesem Punkt miteinander wetteifern.
»Sie bekommen die Proben nach Kiel geliefert?«, fragte
Lüder.
»So ist es.«
»Und die Proben werden nicht im Reagenzglas versandt,
sondern mit dem ganzen Körper?«
Dr. Diether lachte. »Ich habe Sie schon immer für
einen messerscharfen Analytiker gehalten.«
Lüder atmete tief durch.
»Seit wann wissen Sie, dass Hubert Fixemer seinen
Verletzungen erlegen ist?«
»Ich habe die Nachricht zwei Minuten vor Ihrem Anruf
erhalten.«
Der Pathologe versprach, sich nach dem Vorliegen der
Ergebnisse bei Lüder zu melden.
»Wie sollen wir das bewerten?«, sagte Große Jäger,
nachdem Lüder ihm von der neuen Entwicklung berichtet hatte. »Ist das ein
Schuldeingeständnis?«
»Verhören können wir Fixemer nicht mehr. Und sein Tod
wird die ohnehin schwierigen Ermittlungen zusätzlich belasten. Aber gerade weil
es verzwickt ist, hat man uns beide ausgesucht.«
»Das sollten Sie der Polizeiführung erklären«, stöhnte
Große Jäger gespielt theatralisch, bevor sie ins Auto stiegen und nach Kiel
fuhren.
Obwohl es Freitagnachmittag war, kamen sie zügig
voran. Selbst die Landeshauptstadt stellt außerhalb der Kieler Woche kein
unüberwindbares Verkehrshindernis dar. Lüder fand sogar in kurzer Entfernung zu
seiner Bankfiliale einen Parkplatz. Er wurde von einer ihm vom Ansehen
bekannten jungen Mitarbeiterin, die den Zweigstellenleiter rief, mit einem
freundlichen Kopfnicken begrüßt.
Patrick Uhlmann war wie immer in dezentem Blau
gekleidet. Lüder hatte den sportlichen Mann, der seit zwei Jahren die Leitung
der Dependance innehatte, bei den wenigen Begegnungen noch nie leger erlebt.
Uhlmann zeigte ein geschäftsmäßiges freundliches
Gesicht, als er auf Lüder zukam und ihn in eine Beratungsecke bat.
»Ich bin erstaunt, dass Sie die Verfügungsberechtigung
über mein Girokonto ohne Vorankündigung eingeschränkt haben.«
Der Bankmitarbeiter
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