Der Tote vom Kliff
Hartwigs Büro verließen, blieben zwei
nachdenkliche Männer zurück. Das Gleiche traf auf Lüder und seine beiden
Begleiter zu.
Vor der Tür kratzte sich Große Jäger die Bartstoppeln.
»Es ist merkwürdig, dass plötzlich gegenseitiges Misstrauen im Betrieb herrscht
und jemand als Spion Vertrauliches an die schwäbische Zentrale weiterreicht.
Haben die Süddeutschen jemanden bestochen?«
»Das kann ich nicht bestreiten«, sagte Lüder. »Aber
bei meinem letzten Zusammentreffen mit Dr. Buurhove bediente sich dieser der
Dienste eines zwielichtigen Privatdetektivs. Ich wäre nicht überrascht, wenn
das Gespann Gisbert Hundegger und Buurhove die Mitarbeiter akustisch überwachen
ließ.« Er sah Hauptkommissar Thiel an. »Können Sie es arrangieren, dass die
Kriminaltechnik diesem Verdacht nachgeht? Es sollte vertraulich bleiben.
Deshalb habe ich auch nichts in Gegenwart des aufgebrachten Betriebsrats
Knudsen verlauten lassen. Das müsste mit dem Geschäftsführer besprochen
werden.«
Hauptkommissar Thiel versprach, sich darum zu kümmern,
verabschiedete sich von Lüder und Große Jäger und fuhr nach Kiel zurück.
»Ich muss mich zu Hause melden«, sagte Lüder und
erinnerte sich daran, dass er vorhin einen Anrufversuch seiner Familie
weggedrückt hatte. Überraschenderweise war nicht Jonas, sondern Margit am
Apparat.
»Hast du ein schlechtes Gewissen, weil du den Anruf
vorhin unterdrückt hast?«, fragte sie pikiert. Ihre Verärgerung war deutlich zu
spüren.
»Es war eine ungünstige Situation«, sagte er.
»In der befand ich mich auch.« Lüder hatte seine
Partnerin selten in einem so erregten Zustand erlebt. »Was denkst du dir
eigentlich dabei, mich so zu blamieren? Du hättest nur ein Wort sagen müssen.«
Lüder war irritiert. Er war sich keiner Schuld
bewusst.
»Was ist los, Liebes? Warum bist du so aufgebracht?«
»Da fragst du noch? Oder hast du das nicht mehr im
Griff?«
Langsam stieg auch in Lüder der Zorn hoch. »Vielleicht
kommst du langsam auf den Punkt. Um was geht es?«
»Ich stand vorhin ziemlich dumm da im Supermarkt, als
mir die Kassiererin vor allen Kunden erklärte, dass meine EC -Karte gesperrt ist. Das war eine
peinliche Situation. Natürlich hatte ich nicht genügend Bargeld dabei. Wenn
unsere Nachbarin Frau Mönckhagen nicht an der Parallelkasse gestanden hätte,
hätte ich nicht gewusst, was ich machen soll. Schließlich hätte ich auch nichts
am Geldautomaten bekommen. Dort habe ich es nach dem Einkauf versucht, aber der
Automat hat meine Karte mit dem Hinweis, ich möge mich an meine Bank wenden,
eingezogen. Und dann hat die Mönckhagen auch noch die blöde Bemerkung fallen
lassen, dass vier Kinder Geld kosten und es schon einmal vorkommen kann, dass
das Geld nicht bis zum Ende des Monats reicht.«
Lüder warf Große Jäger einen Seitenblick zu. Der
Oberkommissar tat so, als hätte er vom Gespräch nichts mitbekommen.
»Ich versichere dir, dass ich nichts gemacht habe. Wir
haben die Reparatur an der Waschmaschine gehabt, und du warst mit den Großen
Bekleidung kaufen. Darüber hinaus war nichts. Schön, wir sind ein wenig im
Minus. Aber das ist nichts Dramatisches.«
»Ich erwarte, dass du dich darum kümmerst«,
sagte Margit und legte nach einer sehr knappen Verabschiedung auf.
Lüder starrte eine Weile sein Handy an, bevor er durch
Große Jägers Hüsteln aus seinen Gedanken geweckt wurde.
»Ich möchte nicht indiskret sein«, sagte der
Oberkommissar. »Aber es klang so, als hätten Sie kurzfristig Probleme mit Ihrer
Bank.«
»Das verstehe ich nicht«, erwiderte Lüder. »Da ist
nichts Außergewöhnliches vorgefallen.«
»Bei welchem Institut haben Sie Ihr Konto?«
Lüder nannte den Namen.
Große Jäger schnalzte mit der Zunge. »Und wie heißt
der Vorstandssprecher dieser Bank?«
»Das glaube ich nicht«, entfuhr es Lüder.
»Doch. Auch solche Großfürsten können beleidigt sein,
wenn man ihnen in ihren Eingeweiden bohrt.«
»Dr. Laipple«, presste Lüder hervor.
Große Jäger nickte stumm.
Der Großflecken bildet das lebendige Zentrum
Neumünsters. Den Beginn markiert das Kaufhaus, das halb den vom kleinen
Flüsschen Schwale gespeisten innerstädtischen Teich verdeckt. Lüder zeigte auf
die Grünanlage und schmunzelte.
»Ein beliebtes Plätzchen, das junge Paare gern
aufsuchen.«
»Woher wissen Sie das?«, fragte Große Jäger und
runzelte die Stirn.
»Von meinem Geburtsort Kellinghusen aus waren Itzehoe
oder Neumünster die nächsten größeren
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