Der Tote vom Silbersee (German Edition)
Verschwinde, alte Frau. Lass mich in Ruhe. Gegen die kommst du nicht an. Hau ab! «
Lena band Trixi los. Sie konnte nichts anderes tun, als Andy in Ruhe zu lassen. Von Weitem sah sie eine Horde junger Punks. Sie grölten, hingen, lagen, standen in der Wiese. Einer hatte eine Schnapsflasche in der Hand, die die Runde machte. Die anderen tranken aus Bierflaschen. Ob die sie verstehen würden, so besoffen oder zugedröhnt, wie die waren? Schon als Lena auf sie zuging, riefen sie ihr zotige Sprüche entgegen.
»Hört zu, Leute, euer Kumpel Andy liegt da hinten auf einer Bank und dem geht es saumies.«
»Mies, saumies, obermegamies«, krakeelte einer mit rasiertem Schädel und schmieriger Lederjacke. Ein Mädchen mit Stachelband um den Hals und gelben Haaren prostete Lena zu.
Ehe sich’s Lena versah, war sie von den Punks umringt, die in einer Art Singsang johlten: »Mieser, mieser, saumies, Alte!«
Dann ging alles sehr schnell. Lena hörte eine Polizeisirene. Sie konnte später nicht genau sagen, was zuerst gewesen war. Das Geschrei der Punks oder die Polizisten, die wie aus der Erde gewachsen neben ihnen auftauchten. Es war wohl eher ein Reflex, als Lena nach Trixi griff und diese in ihre Einkaufstasche steckte. Die Punks wurden in einen Polizeibus geschubst. Das Gegröle veranlasste Trixi zu Dauergeheule. Lena hielt ihr die Schnauze zu und versuchte, ihre aufkommende Panik zu unterdrücken.
»Leise, Trixi, ganz leise.« Mit diesen Worten beruhigte sie sich selbst.
»Haben Sie uns angerufen? Sie begleiten uns bitte aufs Revier!«, sagte ein Beamter und hielt Lena die Tür zum Polizeiauto auf.
»Warum denn? Hören Sie, Sie müssen sofort in die Beuthener Straße fahren, dort findet ein Hundekampf statt – jetzt!«, rief Lena aufgebracht.
Ein zweiter Beamter tauchte hinter Lena auf. »Ja, ja, das können Sie uns alles auf dem Revier erzählen.«
»Nein, verdammt noch mal! Haben Sie Watte in den Ohren? Ich will sofort mit Kommissarin Nürnberger telefonieren!«
Der Beamte, der Lena die Tür aufhielt, lächelte freundlich, aber sagte bestimmt: »Auf dem Revier können Sie mit ihr sprechen!« Lena klemmte sich die Tasche mit der kläffenden Trixi unter den Arm und stieg widerstrebend ein.
Irgendwo da draußen fand genau jetzt ein blutiger Hundekampf statt. Zwei Hunde, die man mit qualvollen Erziehungsmethoden darauf trainiert hatte, einander zu zerfleischen, bissen sich Ohren ab, zerfetzten sich zu Stücken, und eine grölende Menschenmenge sah dabei zu. Bei solch einem Hundekampf konnte man mit geschickten Wetteinsätzen bis zu einer halben Million Euro gewinnen. Und sie, Lena, hatte keine Macht, das zu verhindern? Nur weil ein Polizist sie nicht ernst nahm? Lena verlegte sich aufs Bitten.
»Hören Sie, Sie müssen sofort zur Beuthener Straße fahren, da findet ein Hundekampf statt. Bitte tun Sie doch was!«
Aber ihr schien es, als rede sie entweder chinesisch oder der Mann wäre schwerhörig, denn er reagierte nicht. »Hören Sie mir überhaupt zu?«, brüllte sie nun. Der Polizist neben ihr nickte. »Wir sind gleich auf dem Revier. Dort können Sie uns alles erzählen.«
Die Zeit verlief schleppend langsam, bis sie endlich im Kommissariat ankamen. Hatte der Hundekampf schon begonnen? Die Polizisten ließen Lena beim Empfang warten und einer griff zum Telefonhörer. »Ja, Belu, ich bring sie dir gleich rauf.«
Er gab Lena einen Wink, ihm zu folgen. Der lange Flur mit den vielen Türen schien Lena endlos. Dann endlich gelangten sie zur Tür mit den Gummibärchen. Kommissarin Nürnberger stand am Fenster und blickte in den Hof, als Lena eintrat. Lena machte einen Schritt vorwärts, besann sich kurz und sprudelte gleich in Halbsätzen los.
»In der Beuthener Straße findet ein Hundekampf statt, ich … Sie müssen das Veterinäramt informieren, die … Verstehen Sie! Ich bin mir sicher, dass dieser Reporter, dieser Friedhelm Suser, eine Reportage über diese Hundekämpfe machen wollte.«
Lena schwieg erschöpft. Still war es nun in Bertaluise Nürnbergers Büro. Sogar Trixi verhielt sich mucksmäuschenstill in Lenas Tasche.
»Ich frage gar nicht, woher Sie das alles wissen.«
Schon während sie das sagte, griff sie zum Telefon, drückte eine Zahl und orderte eine Einsatzstaffel zur Adresse.
»Ich möchte mit!«
Als sie in Belus Gesicht sah, ahnte Lena, dass die Kommissarin weit davon entfernt war, sie mitzunehmen. Sie würde sich gewaltigen Ärger einhandeln, wenn sie nicht sofort von der Tür
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