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Der Tote vom Strand - Roman

Der Tote vom Strand - Roman

Titel: Der Tote vom Strand - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H kan Nesser
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und bog in den Emserweg ab. Und dort, als er beim Schreibwarenladen Dorff um die Ecke bog und durch die Dorfflenerstraat weitergehen wollte, da sah er sie.
    Sie ging auf der anderen Straßenseite am erleuchteten Eingang zum Sportplatz vorbei, und sie ging mit schnellen Schritten. Mit energischen und zielbewussten Schritten. Sigrid, seine Frau. Sie sah ihn nicht, er unterdrückte den Drang, ihren Namen zu rufen. Er blieb unter der Markise des Schreibwarenladens stehen und wartete, bis sie außer Sichtweite war. Sie ist dort gewesen, dachte er. Sie war dort oben und hat mit Winnie gesprochen.
    Er lief über die Dorfflenerstraat, am Sportplatz vorbei und weiter hinunter zur Bahnlinie. Als er um die Ecke der Brauerei bog, ragte die Eisenbahnbrücke vor ihm auf.
    Aber sie war noch ein Stück entfernt. Noch konnte er dort
oben niemanden sehen. Ob sie wohl auf ihn wartete? Seine Schritte verlangsamten sich. Was zum Teufel sollte er sagen? Tun? Was erwartete sie von ihm? Wo sie doch sein Leben zerstört hatte. Sie hatte ihn ruiniert, als sie vor ... Er schaute auf die Uhr ... fünfunddreißig Minuten seiner Frau alles erzählt hatte. Mehr Zeit war nicht vergangen. Der Anruf lag eine gute halbe Stunde zurück. Was zum Teufel wollte sie jetzt noch von ihm?
    Ein Kind? Sie erwartete ein Kind, sein Kind. Ihm fiel ein, was sie in jener Nacht gesagt hatte. Komm nur, Magister ... komm, komm, ich nehme die Pille!
    Magister, hatte sie gesagt. Noch mitten im Akt, beim Ficken, hatte sie dieses Wort benutzt.
    Die Pille? Verdammt, nie im Leben hatte sie die Pille genommen!
    Er hatte die lange Kurve erreicht, als ihm der alberne Gedanke kam, dass sie vielleicht wieder mit ihm schlafen wollte. Es war ein blödsinniger Gedanke, der vermutlich ziemlich viel darüber verriet, wer er wirklich war. Im tiefsten Herzen. Und der vermutlich bewies, dass er jetzt gerade verrückt wurde. Ich bin ein Schwein, dachte er. Schwein, Schwein, Schwein! Er konnte fast hören, wie Sigrid das Wort sagte ... mit Winnie Maas schlafen? Noch einmal? Sich vorwärts und rückwärts von ihr reiten zu lassen und den Schwanz in sie hineinbohren, bis sie vor Erregung quiekte, und sich von ihr einen blasen lassen und ihre steife, glänzende Klitorisknospe reiben, bis sie schrie ... was zum Teufel malte er sich da für einen Müll aus? Sein Gehirn hustete wie ein Auto in zu niedrigem Gang. Was ist nur in meinem Kopf los?, dachte er. Und sie ist ja überhaupt nicht da.
    Sie war überhaupt nicht da.
    Auf der Brücke war alles leer. Kein Mensch war zu sehen, keine einzige verdammte kleine Winnie Maas und auch sonst niemand. Er blieb stehen und schaute sich um. Nach Norden und nach Süden. Hier oben hatte er eine gute Aussicht. Die ganze Stadt lag unter ihm, die Straßen, der Marktplatz, die beiden
Kirchen, der Strand und der Hafen mit seinen Wellenbrechern und dem Betonfundament und der geschützten Einfahrt. Das kleine Waldgebiet hinter den Fußballplätzen. Frieders Pier und Gordons Punkt mit dem Leuchtturm ganz hinten im Süden. . . und alles eingebettet in die bleiche Dunkelheit der Sommernacht.
    Er senkte den Blick. Folgte den Gleisen vom Bahnhof bis zur Brücke. Unten lag etwas, das konnte er sehen. Ganz dicht neben dem rechten Gleis, ein wenig schräg unterhalb des Punktes, an dem er selber stand. Es war nicht ganz dunkel, und eine Straßenlaterne warf dort unten ihr schmutzig gelbes Licht über die Straße und den Bahndamm.
    Und dort lag also etwas. Etwas, das weiß und ein wenig blau und ein wenig fleischfarben war ...
    Erst nach einer Sekunde begriff er, was es war.
    Und erst nach einer weiteren Sekunde begriff er, wer es war.

39
    5. August 1999
     
    Polizeianwärter Vegesack bekreuzigte sich und ging hinein.
    Polizeichef Vrommel lag vor seinem Schreibtisch und machte Beinübungen.
    »Moment noch, Vegesack«, sagte er.
    Vegesack setzte sich in den Besuchersessel und musterte seinen Chef. Die Luft schien ein wenig stickig zu sein, denn Vrommel prustete wie ein gestrandetes Walross, und sein blanker Schädel leuchtete wie eine rote Ampel. Als er fertig war, blieb er noch eine Weile auf dem Boden liegen, um zu Atem zu kommen. Danach erhob er sich und setzte sich hinter seinen Schreibtisch.
    »Du gehst morgen in Urlaub?«
    Vegesack nickte.
    »Morgen, ja.«
    »Kein besonders tolles Wetter.«
    »Nein«, sagte Vegesack.
    »Letzte Woche war es besser.«
    »Ja.«
    Vrommel öffnete eine Schreibtischschublade. Zog ein Papiertaschentuch heraus und wischte sich Stirn und

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