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Der Tote vom Strand - Roman

Der Tote vom Strand - Roman

Titel: Der Tote vom Strand - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H kan Nesser
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Ihnen sprechen darf.«
    Die Frau murmelte vor sich hin und schien immer noch zu zögern. Stand in der Türöffnung und wippte auf Zehen und Hacken langsam hin und her, während sie die Lippen einsog und sich am Heizkörper festhielt.
    »Worum geht es denn?«, fragte sie dann. »Was willst du wissen?«
    »Ich würde lieber nicht zwischen Tür und Angel darüber reden. Es geht um meinen Vater.«
    »Um deinen Vater?«
    »Ja.«
    »Und wer ist dein Vater?«
    Mikaela überlegte zwei Sekunden. Dann nannte sie seinen Namen. Die Frau schnappte nach Luft und ließ den Heizkörper los. »O verdammt«, sagte sie dann. »Ja, dann komm rein.«
     
    Mikaela zweifelte keine Sekunde daran, dass die Haushaltshilfe am Freitag ausgeblieben war. Wie an allen anderen Freitagen während des vergangenen halben Jahres. Sie hatte noch nie eine so schmutzige und verwahrloste Wohnung gesehen. Oder sich auch nur vorstellen können. Ihre Gastgeberin führte sie in eine enge Küche, in der es nach Zigarettenrauch, altem Fisch und allerlei anderem stank. Sie fegte einige Zeitungen und Reklamebroschüren vom Tisch, damit sie einander gegenübersitzen konnten — getrennt durch eine kleine klebrige Fläche für Gläser, Aschenbecher und Flaschen.
    Kirschwein. Sie schenkte ohne zu fragen ein. Mikaela nippte an dem hellroten, starken Getränk, und der süße Geschmack löste fast einen Brechreiz bei ihr aus.
    Die Frau kippte ihr Glas auf Ex und knallte es auf den Tisch. Nahm sich dann eine Zigarette und gab sich Feuer.
    Warum kann sie nicht wenigstens etwas lüften?, fragte Mikaela sich. Warum haust sie mitten im Hochsommer auf einem stickigen Müllplatz? Seltsam!

    Obwohl sie ja nicht gekommen war, um über Hygiene und Wohnkultur zu diskutieren.
    »Es geht also um Arnold Maager«, sagte die Frau. »Um diesen miesen Wichser.«
    »Er ist ... Arnold Maager ist mein Vater«, sagte Mikaela Lijphart.
    »Das behauptest du, ja. Erzähl, was du weißt.«
    Sie spürte, wie ihr wieder die Tränen kamen, doch sie biss die Zähne zusammen, und es gelang ihr, sie zu unterdrücken.
    »Könnte ich ein wenig das Fenster aufmachen?«, fragte sie. »Ich bin allergisch gegen Zigarettenrauch.«
    »Hier wird kein Fenster aufgemacht«, erklärte die Frau. »Du wolltest diesen Dreck doch unbedingt betreten.«
    Mikaela schluckte.
    »Also erzähl«, sagte die Frau und goss Kirschwein nach. »Du zuerst, eine gewisse Ordnung muss sein.«
    Mikaela räusperte sich und legte los. Eigentlich hatte sie ja nicht viel zu sagen, doch kaum hatte sie angefangen, als die Frau aufsprang und zum Spülbecken ging, das vor schmutzigem Geschirr, leeren Flaschen und allerlei Abfall überquoll. Dort wühlte sie mit dem Rücken zu ihrem Gast in einer Schublade herum, und als sie sich umdrehte, streckte sie den Arm aus und zeigte mit einem Gegenstand auf Mikaela.
    Erst nach einer Sekunde begriff diese, dass es sich um eine Pistole handelte.
    Die Katze, dachte sie. Der Ziegelstein.

10
    12. Juli 1999
     
    Der Montag war bewölkt, aber im Verhörraum auf der Wache von Lejnice herrschte immer noch ein Hochdruckgebiet. Lampe-Leermann trug ein oranges Hemd mit langem Kragen, die drei oberen Knöpfe standen offen. Die Schweißflecken unter seinen Armen waren noch klein. Er stank nach Rasierwasser.
    Immerhin besser als alter Knoblauch, dachte Moreno und nahm ihm gegenüber Platz. Betrachtete ihn für einen Moment, ehe sie loslegte. Fand, dass er konzentrierter wirkte als am Samstag, weshalb sie mit einem leichten Gefühl von Optimismus das Tonbandgerät einschaltete.
    Es war genau 13.15 Uhr, und als sie nach einer Runde guter Arbeit das Gerät ausschaltete, waren eine Stunde und vierzig Minuten vergangen.
    Nach einer Runde wirklich guter Arbeit. Zumindest was sie anging. Franz Lampe-Leermann sah die Sache vermutlich anders, aber sie nahm doch an, dass sie fast alles aus ihm herausgeholt hatte, was er überhaupt wusste. Drei Namen, die der Polizei neu waren, ein halbes Dutzend alter Bekannter und Informationen, die ausreichten, um gegen allesamt Klage zu erheben. Darüber hinaus gab es weitere Auskünfte, deren Wert sie im Moment nicht beurteilen konnte, die aber auf Dauer sicher zu der ein oder anderen Verurteilung führen würden. Falls nicht die Staatsanwaltschaft anderer Meinung war, falls nicht irgendwelche Rücksichten genommen werden mussten, aber es lohnte sich kaum, über solche Dinge zu spekulieren.

    Und sie hatte auch keine besonderen Zusagen machen müssen, was Strafnachlass oder andere

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