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Der Tote vom Strand - Roman

Der Tote vom Strand - Roman

Titel: Der Tote vom Strand - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H kan Nesser
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Abwehrraster aus Vernunft und Gefühlen und Erfahrungen und wurde zu einer begreiflichen Botschaft.
    Oder eher zu einer unbegreiflichen.
    »Scher dich zum Teufel«, sagte sie.
    »Danke«, sagte Lampe-Leermann. »Irgendwann vielleicht...«
    »Du lügst ... Vergiss alle Pluspunkte, von denen du geglaubt
hast, du hättest sie hier erworben. Ich sorge dafür, dass du acht Jahre bekommst. Zehn. Du Mistkerl!«
    Er lächelte noch breiter.
    »Ich sehe, dass die Frau Inspektor sich unangenehm berührt fühlt. Sie hat also auch kein Verständnis? Ich weiß übrigens nicht, ob er das Geld aus dem eigenen Sack genommen hat oder ob er sozusagen in die Kasse der Allgemeinheit gegriffen hat... kommt drauf an, welche Position er hat, und die kenne ich nicht. Wie gesagt. Aber der Zeitungsschmierer weiß Bescheid.«
    Er verstummte. Für einen Moment glaubte Moreno, das Zimmer schaukele. Nur für einen kleinen Moment — als habe der Film, in dem sie mitspielten, plötzlich drei der vierundzwanzig Bilder übersprungen und einen kleinen Sprung gemacht... oder als stehe sie während eines Erdbebens nur ein wenig vom Epizentrum entfernt.
    Während eines Erdbebens?
    Dieser Vergleich konnte ihr ja wohl kaum grundlos eingefallen sein. Sie betrachtete Franz Lampe-Leermanns schlaffe Gestalt auf der anderen Tischseite. Dachte, dass sie unter etwas weniger zivilisierten Umständen — es reichte, wenn sie etwas weniger zivilisiert wären — nicht lange zögern würde, ihn umzubringen. Wenn sich die Gelegenheit bot. Wirklich nicht. Ihn zertreten würde sie. Wie eine Kakerlake unter ihrem Absatz. Und diese Vorstellung erschreckte sie nicht im Geringsten.
    Aber es erschreckte sie, dass sie nicht erschrak.
    »Fertig?«, fragte sie. Versuchte, ihre Stimme eiskalt klingen zu lassen, damit er begriff, dass er von ihr keine Gnade zu erwarten hatte.
    »Fertig«, sagte er. Sein Lächeln schrumpfte ein wenig, aber nicht sehr. »Ich sehe, dass meine Nachricht angekommen ist. Melden Sie sich, wenn Sie sie interpretiert haben.«
    Moreno erhob sich. Ging zur hinteren Tür und klopfte mit dem Schlüsselbund daran. Ehe sie hinausgelassen wurde, klärte Lampe-Leermann noch ein Detail.
    »Gerade wegen dieses Leckerbissens habe ich doch auf einer
Polizistin bestanden. Was haben Sie denn gedacht? Ich wollte doch nicht Gefahr laufen, plötzlich Auge in Auge diesem... diesem Polizisten gegenüberzusitzen. Oder jemandem, der vielleicht mit ihm solidarisch ist. Schönes Wort, solidarisch, obwohl es im Moment wohl ein wenig aus der Mode geraten ist.«
    Das hier habe ich nur geträumt, dachte Kriminalinspektorin Ewa Moreno. Aber aus irgendeinem Grund ist mir trotzdem schlecht.
    Fünf Minuten später hatte sie Franz Lampe-Leermann und der Wache von Lejnice den Rücken gekehrt.
    Für diesen Tag.
     
    Polizeianwärter Vegesack schlug ein Kreuzzeichen und klopfte an die Tür.
    Nicht, dass er fromm gewesen wäre, und katholisch war er schon gar nicht, aber das Kreuzzeichen hatte ihm einmal sehr geholfen — er war während einer nächtlichen Observation in seinem Auto eingeschlafen (weshalb das Objekt, ein Zwischenträger aus der Kokainliga, entwischt war), und am folgenden Tag war er zwecks Zusammenstauchens zu Kommissar Vrommel bestellt worden. Weil ihm nichts Besseres eingefallen war, hatte er vor der Tür das Kreuzzeichen gemacht (wie er das eine Woche zuvor im Fernsehen beim italienischen Torwart gesehen hatte, ehe der bei einem Meisterschaftsspiel den Elfmeter hatte halten können), und zu seiner großen Überraschung hatte es funktioniert. Vrommel hatte ihn fast wie einen Menschen behandelt.
    Das alles lag vermutlich daran, dass der Zwischenträger später in der fraglichen Nacht dann doch in die Falle gegangen war, aber das war Vegesack egal. Von diesem Tag an bekreuzigte er sich immer, wenn er vor der Tür seines Chefs stand.
    Schaden kann es jedenfalls nicht, dachte er.
    Vrommel stand zwischen den Aktenschränken und wippte auf den Fußballen hin und her. Das machte er jeden Tag zehn
Minuten lang, um sich in Form zu halten, ohne seine Arbeit zu vernachlässigen.
    »Setzen«, sagte er, als Polizeianwärter Vegesack die Tür hinter sich geschlossen hatte.
    Vegesack nahm im Besuchersessel Platz.
    »Mitschreiben«, sagte Vrommel.
    Der Polizeichef war für eine gewisse Wortkargheit bekannt, und sein Training führte dazu, dass er seine Sprache noch ein wenig mehr rationieren musste.
    »Erstens«, sagte er.
    »Erstens?«, fragte Vegesack.
    »Dieses Arschloch

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