Der Tote vom Strand - Roman
Vergütungen anging. Sie wäre dazu auch nicht befugt gewesen.
Sie hatte also gute Arbeit geleistet, dieses Lob wollte sie sich gönnen. Um den Rest sollte Reinhart sich kümmern. Inspektorin Moreno hatte mehr als nur ihre Pflicht getan.
»Die Frau Bulle sieht zufrieden aus«, stellte Lampe-Leermann jetzt fest und kratzte seine behaarte Brust.
»Das liegt daran, dass ich dieses Haus jetzt verlassen kann«, erwiderte Moreno.
»Und sie hätte nicht gern noch ein bisschen mehr?«
Diese Anspielung — die mögliche Anspielung — ließ sie rot sehen, aber sie beherrschte sich.
»Und was sollte das sein?«
»Ein Leckerbissen. Ein kleiner Leckerbissen zum Abschluss. Aber zuerst muss ich eine rauchen.«
Moreno zögerte. Schaute auf die Uhr und fragte sich, was, zum Teufel, er da andeuten wollte.
»Was soll das heißen?«, fragte sie deshalb.
»Genau, was ich sage, natürlich. Wie immer. Ein Leckerbissen. Aber zuerst eine Zigarette. Ein jeglich Ding hat seine Zeit.«
»Sie haben fünf Minuten«, entschied Moreno. »Aber sorgen Sie dafür, dass es wirklich ein Leckerbissen ist, sonst verlieren sie alle Bonuspunkte.«
»Keine Sorge, Teuerste. Ich hab noch keine Frau enttäuscht.« Er klopfte an die Tür und ließ sich auf den Raucherhof führen.
»Es geht um diesen Zeitungsschmierer.«
»Zeitungsschmierer?«
»Journalist. Nicht so am Wort kleben, gute Frau.«
Moreno schwieg.
»Ich hab da eine nette kleine Geschichte. Aber seinen Namen hab ich hier ...«
Er tippte sich mit zwei Fingern an die Stirn.
»... und darum geht’s ja bei Verhandlungen, nicht?«
Moreno nickte und warf einen Blick auf das Tonbandgerät, doch Lampe-Leermann machte eine abwehrende Handbewegung.
»Ich glaube nicht, dass sie das festhalten wollen. Ich glaube, Sie werden sich das auch so merken können.«
»Zur Sache«, sagte Moreno. »Ein Journalist, der etwas weiß?«
»Genau. Was hält die Frau Bulle von Pädophilen?«
»Die liebe ich«, sagte Moreno.
»Das ist mir durchaus nicht unverständlich«, sagte Lampe-Leermann und kratzte sich am Kinn. »Es werden so viele Gemeinheiten über sie geschrieben ... die pure Schikane, könnte man meinen. Und es gibt sie ja überall. Nette, normale Mitbürger wie Sie und ich...«
»Zur Sache!«
Lampe-Leermann musterte sie mit einer Miene, aus der vermutlich väterliche Nachsicht sprechen sollte.
»... überall, wie gesagt. Kein Grund, sich zu schämen, man sollte sich seiner Neigungen nicht schämen, das hat mein Mütterchen immer gesagt... aber dieses Thema ist heute ja so gefühlsbeladen, und die Leute sind sauer, nach allem, was passiert ist. Aber egal...«
Er legte eine Kunstpause ein und fuhr sich mit Daumen und Zeigefinger über seinen gefärbten Schnurrbart, und Moreno dachte bei sich, dass ihr so einer noch nie untergekommen war. Schleimscheißer war als Name fast ein Kompliment. Sie biss die Zähne zusammen und verzog keine Miene.
»Egal, jedenfalls habe ich diesen Zeitungsschmierer kennen gelernt, und er hat mir erzählt, dass er zehntausend bekommen hat, um die Klappe zu halten.«
»Um die Klappe zu halten?«
»Ja.«
»Worüber denn?«
»Über diesen Namen. Den Pädophilen.«
»Von wem sprechen wir?«
Franz Lampe-Leermann zuckte mit den Schultern.
»Weiß nicht. Ich weiß es nicht. Der Zeitungsschmierer weiß es, und ich weiß den Namen des Zeitungsschmierers. Kann die Frau Inspektor mir folgen?«
»Sicher«, sagte Moreno. »Und?«
»Sein Beruf macht die Sache so interessant. Ich würde nicht von einem Leckerbissen sprechen, wenn er nicht an dieser Brutstätte tätig wäre. Dieser Knabe mit den Neigungen. Was glaubst du?«
Moreno schwieg. Registrierte, dass er sie soeben zum ersten Mal geduzt hatte. Fragte sich, ob das eine Bedeutung haben könnte.
»Mitten im Nest sitzt er. Was sagst du dazu? Ein Krimo ... bei euch.«
Er lächelte und ließ sich zurücksinken.
»Was?«, fragte Moreno.
Lampe-Leermann beugte sich wieder vor. Zupfte sich ein Haar aus dem rechten Nasenloch und lächelte noch einmal.
»Ich wiederhole. Auf der Wache von Maardam gibt es einen Pädophilen. Bei der Kripo. Er hat meinem Gewährsmann zehntausend Gulden gezahlt, um nicht entlarvt zu werden. Wäre doch blöd, so viel hinzublättern, wenn man keinen Dreck am Stecken hat, oder was meinst du?«
Was zum... ? dachte Moreno. Was, zum Teufel, redet er da? Die Information wollte nicht zu ihrem Gehirn durchdringen, tat es am Ende aber doch. Sickerte schwer und unwiderruflich durch ihre
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