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Der Tote vom Strand - Roman

Der Tote vom Strand - Roman

Titel: Der Tote vom Strand - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H kan Nesser
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geschieden und ließ sich zum Lokführer umschulen.
    »Reizend«, sagte Moreno.
    »Überaus reizend«, stimmte Mikael Bau zu. »Aber die suizidale Phase liegt hinter ihm. Trotzdem, ich glaube, wir kommen vom Thema ab.«
    Moreno ging schweigend weiter.
    »Du meinst, es reicht, dass Lampe-Leermann mir einen Floh ins Ohr gesetzt hat? Ich werde die Sache nicht mehr loswerden können?«
    »So ungefähr«, sagte Mikael Bau. »Das ist schlichte Psychologie. Es ist so verdammt leicht, einen nicht wiedergutzumachenden Schaden anzurichten... wenn nicht einmal du eine solche Anklage abtun kannst, wie soll die Allgemeinheit dann
damit umgehen? Falls sie die Möglichkeit bekommt, sich zu diesem Problem zu äußern. Wo Rauch ist, da ist auch Feuer.«
    Moreno gab keine Antwort.
    »Aber ich frage mich, was du wirklich glaubst«, sagte er nach einer kurzen Pause. »Ganz ehrlich, meine ich. Es wäre doch leichter, darüber zu diskutieren, wenn du nicht das Gefühl hättest, deinen Kollegen beschützen zu müssen. Kann das stimmen? Besteht die Möglichkeit — irgendeine Möglichkeit —, dass es nicht nur eine gemeine Lüge ist?«
    Moreno ging einige Schritte weiter und schaute auf das rasch dunkler werdende Meer hinaus. Sie konnte den Horizont nicht mehr erkennen, aber eine Reihe von Lichtpunkten — Fischerboote, die zum Fang ausliefen — zeigte so ungefähr, wo er sich befinden musste.
    »Ich kann es nicht glauben«, sagte sie. »Ich kann es einfach nicht. Ich würde lieber anderswo anfangen. Versuchen, das Motiv zu verstehen ... ich meine, Lampe-Leermanns Motiv. Was verspricht er sich von der ganzen Sache?«
    »Meinst du, er lügt?«
    »Sehr gut möglich. Ich gehe davon aus. Aber natürlich kann auch dieser Journalist Lampe-Leermann angelogen haben.«
    »Aber warum?«
    Moreno zuckte mit den Schultern.
    »Keine Ahnung. Ich kapiere ja nicht mal, warum irgendwer diesem Schleimscheißer überhaupt etwas erzählt. Falls es nicht im Suff passiert ist... was sicher nicht unwahrscheinlich wäre. Wir dürfen Logik und Fähigkeit dieser Kreise, einen Plan zu verfolgen, nicht überschätzen, das habe ich inzwischen gelernt.«
    »Zufall«, sagte Mikael Bau. »Ein unbedachtes Wort?«
    »Vielleicht«, sagte Ewa Moreno. »Es gibt eine Art Grauzone. Der Kommissar ... ja, der, von dem ich dir erzählt habe... der Kommissar hat immer gesagt, dass alles, was überhaupt passiert, ein unheilbarer Widerspruch zwischen dem Erwarteten und dem Unerwarteten ist. Das Problem ist nur, in jedem Einzelfall
das Verhältnis zu bestimmen... manchmal ist es acht zu zwei, manchmal eins zu neun... ja, das klingt vielleicht spekulativ, aber es ist doch ein gewaltiger Unterschied.«
    »Ordnung oder Chaos«, sagte Mikael Bau und hob eine leere Coladose hoch, die jemand zusammengepresst und zwei Meter vor den grünen Mülltonnen deponiert hatte, die von der Stadtreinigung in regelmäßigen Abständen am Strand aufgestellt worden waren. »Und das Verhältnis zwischen beiden ... ja, das klingt überaus bestechend. Darüber haben wir ja schon früher gesprochen. Aber Lampe-Leermann hat seinen Stich doch sicher vorher genau geplant?«
    »Zweifellos«, seufzte Moreno. »Zweifellos. Er erwartet ein konkretes Angebot im Tausch gegen den Namen seines verdammten Zeitungsschmierers. Je mehr ich darüber nachdenke, desto sicherer werde ich mir, dass es einen Gewährsmann gibt und dass etwas an der Sache dran ist. Leider.«
    »Und warum glaubst du das?«
    »Weil die Verhandlungsposition eben so ist. Das muss sogar ein Schafskopf wie Lampe-Leermann begreifen. Wenn wir ihm eine Zusage machen, brauchen wir sie doch einfach nur zurückzuziehen, wenn er geblufft hat. Er kann uns im Grunde keinerlei Bedingungen diktieren.«
    Mikael Bau dachte darüber nach, während sie weitergingen und schließlich Tschandalas spitze Dachsilhouette auftauchte.
    »Und wenn er Geld sehen will? Er kann euch doch sicher dazu bringen, eine bestimmte Summe hinzublättern... Wäre es nicht schwer, die zurückzuholen, wenn sie schon auf einem Bankkonto gelandet ist? Oder unter einer Matratze?«
    »Stimmt«, sagte Moreno. »Das glaube ich zumindest. Aber egal, das ist nicht meine Sache. Ich muss sehen, dass ich sie weiterreiche... Habe ich nicht übrigens Urlaub? Stille Tage am Meer, mit meinem begabten jungen Liebhaber?«
    »Den Nagel auf den Kopf getroffen«, sagte Mikael Bau und zog sie an sich. »Ruf an, sowie wir im Haus sind, und überlasse die Sache denen, die im Dienst sind.«

    »Hm«, sagte Moreno.

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