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Der Tote vom Strand - Roman

Der Tote vom Strand - Roman

Titel: Der Tote vom Strand - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H kan Nesser
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sie achtzehn geworden. Sie ist hergekommen, um ihren Vater zu besuchen... und ist von diesem Besuch nicht zurückgekehrt. Wir leben in Moorhuijs, ihr muss etwas passiert sein.«
    Vegesack notierte: Vater? Moorhuijs? Etwas passiert?
    »Warum glauben Sie, dass etwas passiert ist? Haben Sie mit ihrem Vater gesprochen? Sie sind geschieden, nehme ich an?«
    Mikaela, 18, fügte er hinzu.
    »Ja, und wie«, sagte Sigrid Lijphart, nachdem sie wieder die Luft ausgestoßen hatte. »Nein, ich habe nicht mit ihm gesprochen. Er lebt im Pflegeheim des Sidonisstiftes, wenn Ihnen das etwas sagt.«
    »Ach herrje«, rutschte es Polizeianwärter Vegesack heraus. »Ich verstehe.«

    »Wirklich?«
    »Na ja. Ja ... nein.«
    Das wird sicher noch Folgen haben, dachte er und machte sich wieder an seinem Schlipsknoten zu schaffen. Schrieb Sidonis auf seinen Block und wich dem Blick der Frau aus.
    »Sie hat nicht angerufen«, fuhr sie fort. »Mikaela hätte uns niemals so lange Zeit ohne einen Anruf gelassen, ich weiß, wovon ich rede. Ihr ist etwas passiert, und es ist Ihre verdammte Pflicht und Schuldigkeit, dafür zu sorgen, dass sie wieder nach Hause kommt.«
    »Sie könnten vielleicht ein wenig über... den Hintergrund erzählen? Während wir auf Herrn Vrommel warten, meine ich. Wo wir schon mal hier sitzen.«
    »Vrommel«, schnaufte Sigrid Lijphart und erhob sich wieder. Wanderte abermals vor Vrommels Schreibtisch auf und ab und erinnerte ihn an einen neurotischen Eisbären, den er einmal im Zoo von Aarlach gesehen hatte.
    Mal was anderes als ein Dackel, immerhin.
    »Sie dürfen nicht glauben, dass ich für Ihren Chef besonders viel übrig hätte«, erklärte Frau Lijphart und blieb stehen. »Aber man wendet sich doch sicher weiterhin an die Polizei, wenn man den Verdacht hat, dass ein Verbrechen geschehen ist?«
    »Verbrechen?«, fragt Vegesack. »Was denn für ein Verbrechen?«
    »Verdammt«, stöhnte sie und stemmte wieder die Hände in die Seiten. »Bezahlen wir dafür eigentlich Steuern? Ich werde noch wahnsinnig.«
    Vegesack schluckte und suchte verzweifelt nach irgendeinem erlösenden Wort, doch so weit kam er nicht mehr. Draußen schlug die Glastür zu, und einige Sekunden später erschien der Polizeichef zusammen mit der angereisten Inspektorin. Moreno sah ziemlich gut aus, das stand fest. Sigrid Lijphart öffnete ihre Handtasche und machte sie wieder zu. Der Polizeianwärter erhob sich.
    »Also«, sagte er. »Polizeichef Vrommel, Inspektorin Moreno...
Frau Lijphart. Ja, Sie kennen sich ja. Sie beide, meine ich.«
    Er errötete und zeigte mit der ausgestreckten Hand auf Vrommel und Frau Lijphart.
    »Guten Morgen«, sagte Vrommel. »Was ist denn los?«
    »Frau Lijphart hat ein kleines Problem«, erklärte Vegesack. »Ihre Tochter ist offenbar verschwunden.«
    »Ich glaube, Sie erinnern sich an mich«, sagte Sigrid Lijphart und schaute Vrommel ins Gesicht.
    »Wie war noch Ihr Name?«, fragte Inspektorin Moreno. »Lijphart?«
     
    Später — in den folgenden Wochen und im Herbst, als dann alles aufgeklärt und zu den Akten gelegt war — sollte Ewa Moreno sich immer wieder fragen, warum sie während dieser ersten kurzen Begegnung zwischen Vrommel, Sigrid Lijphart und ihr selbst so passiv geblieben war.
    Welche vage Intuition hatte sie dazu gebracht, sich einfach nur auf einen Stuhl zu setzen und zuzuhören?
    Einfach nur dazusitzen und zu beobachten und zu registrieren — statt sofort und unverblümt zu erzählen, dass sie am Samstag auf der Bahnfahrt nach Lejnice ausgiebig mit Mikaela Lijphart gesprochen hatte?
    Das wäre doch das Natürlichste gewesen. Der besorgten Mutter zu sagen, dass sie mit der verschwundenen Tochter gesprochen hatte — wenn auch schon vor einigen Tagen.
    Aber sie schwieg, saß schräg hinter Sigrid Lijphart auf einem Stuhl und ließ Vrommel das Wort führen. Sich der Aufgabe annehmen, die im Grunde ja auch seine war. Reibungslos wie eine Registrierkasse.
    Anfangs wischte er sich mit einem Papiertaschentuch den Schweiß von seinem kahlen Schädel.
    »Sie erinnern sich doch an mich?«, fragte Sigrid Lijphart noch einmal.
    Vrommel überprüfte im Spiegel neben der Tür den Glanz seines
Schädels, warf das Taschentuch in den Papierkorb und ließ sich hinter dem Schreibtisch nieder. Fünf Sekunden vergingen.
    »Natürlich kann ich mich an Sie erinnern. Es war keine lustige Geschichte.«
    »Ich habe gehofft, nie mehr hierher zurückkehren zu müssen.«
    »Das verstehe ich.«
    Sigrid Lijphart holte zweimal tief

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