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Der Tote vom Strand - Roman

Der Tote vom Strand - Roman

Titel: Der Tote vom Strand - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H kan Nesser
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hier jetzt aussah, wäre es nicht leicht, einen Menschen nach unten zu stoßen. Zumindest nicht, wenn der Mensch noch einigermaßen lebendig und widerstandsfähig wäre. Der Zaun war fast zwei Meter hoch.
    »Es gibt jedenfalls keine Gedenktafel«, sagte Mikael Bau. »Gott sei Dank.«
    Er ließ die Kupplung los, und sie rollten weiter. Moreno schloss das Fenster und merkte, dass ihre Unterarme sich mit einer Gänsehaut überzogen hatten.
    »Ich weiß nicht, wie es dann weitergegangen ist, wie das Urteil aussah und so. Der Prozess hat dann sicher im Herbst stattgefunden, als wir wieder in Groenhejm waren.«
    »Aber er war der Mörder?«, fragte Moreno. »Dieser Lehrer ... er hat gestanden?«
    Mikael Bau trommelte mit den Fingern auf dem Lenkrad herum, ehe er antwortete.
    »Ja, bestimmt war er das. Aber er hat dann zu allem Überfluss auch noch den Verstand verloren. Saß neben dem Leichnam,
als man sie fand, wie gesagt. Hat keinen Fluchtversuch unternommen, aber sie konnten auch nicht viel Gescheites aus ihm herausbringen... aber was hat das alles mit dem verschwundenen Mädchen und ihrer Mutter zu tun, kannst du mir das erzählen? Da kann es doch unmöglich einen Zusammenhang geben!«
    Moreno antwortete nicht sofort. Versuchte eilig, in Gedanken alles noch einmal durchzugehen, aber es fiel ihr schwer, zu einem anderen Schluss zu kommen als bisher.
    »Ich weiß nicht«, sagte sie. »Irgendeiner existiert da wohl doch. Mikaela Lijphart wollte ihren Vater besuchen, den sie aus irgendeinem Grund zuletzt mit zwei Jahren getroffen hat. Damals war etwas vorgefallen, so hat sie sich ausgedrückt ... etwas vorgefallen? Ihr Vater lebt in einem Pflegeheim in der Nähe von Lejnice. Auf jeden Fall scheint es um diese Geschichte zu gehen. Weißt du, ob er Kinder hatte, dieser Lehrer? Eine kleine Tochter zum Beispiel ... zwei Jahre alt oder so?«
    »Keine Ahnung«, sagte Mikael Bau. »Woher, zum Teufel, soll ich das wissen? Aber ich weiß noch, dass ich später etwas über den Prozess gelesen habe ... als der gerade lief. Der Mann konnte offenbar nicht verhört werden. Entweder brach er zusammen und weinte nur noch, oder er schwieg wie ein Grab ... ich erinnere mich vermutlich daran, weil in der Zeitung genau diese Formulierung stand, schwieg wie ein Grab.«
    »Also muss er in der Psychiatrie gelandet sein, egal, wie das Urteil ausgefallen ist, meinst du?«
    »Vermutlich. Und es geht um jemanden im Sidonis, ja?«
    Moreno nickte.
    »Kennst du das?«
    »Nur vom Namen her«, sagte Mikael Bau. »Sicher kennen alle Kinder den Namen der nächstgelegenen Klapse, oder nicht?«
    »Bestimmt«, sagte Moreno. »Na, dann ist das klar. Schöne Geschichte.«
    Sie fuhren eine halbe Minute schweigend weiter.
»Ergo«, sagte Mikael Bau danach. »Und korrigier mich, wenn ich mich irre ... die Kleine besucht ihren Papa, einen Mörder, den sie mit zwei Jahren zuletzt gesehen hat. Sie geht zu ihm, unterhält sich zwei Stunden mit ihm und verschwindet dann. Darüber hast du doch den ganzen Tag nachgedacht?«
    »Nicht ganz«, sagte Moreno. »Das hast du mir eben erst erzählt, dass der Papa sich Mörder nennen darf ... wenn man so will. Wie ist es um dein Kurzzeitgedächtnis bestellt?«
    Mikael Bau gab keine Antwort. Er änderte seinen Trommelrhythmus und schwieg dann wieder.
    »Was machen wir?«, fragte er dann, als ein Schild mit der Aufschrift Port Hagen 6 an Morenos Fenster vorüberzog. Moreno dachte einen Moment nach.
    »Umdrehen«, sagte sie dann.
    »Was?«
    »Fahr zurück. Wir müssen mit Vrommel sprechen.«
    »Jetzt?«, fragte Mikael Bau. »Es ist fast halb zehn. Hat das nicht Zeit bis morgen? Ich fürchte, auch er hat keine Ahnung von King bei der Grenzpolizei.«
    Moreno biss sich in die Unterlippe und dachte nach.
    »Na gut«, seufzte sie. »Morgen.«

16
    15. Juli 1999
     
    Vrommel wippte auf den Zehen auf und ab.
    »Sehnen und Waden«, erklärte er. »Auch die müssen in Form bleiben. Ich dachte, die Frau Inspektor wollten an einem Tag wie heute am Strand auf einem Handtuch liegen.«
    »Heute Nachmittag«, sagte Moreno. »Ich wollte nur fragen, ob die kleine Lijphart wieder aufgetaucht ist.«
    Der Polizeichef hob und senkte sich dreimal langsam, dann sagte er:
    »Leider.«
    »Leider nein?«
    »Leider nein.«
    »Können wir uns einen Moment setzen?«, schlug Moreno vor. »Ich bin der Kleinen doch im Zug begegnet, vielleicht kann ich ...«
    »Pure Routine«, fiel Vrommel ihr ins Wort. »Nichts, worüber Sie sich Gedanken machen müssen.

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