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Der Tote vom Strand - Roman

Der Tote vom Strand - Roman

Titel: Der Tote vom Strand - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H kan Nesser
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starrte seinen Kollegen an.
    Kohler schüttelte den Kopf. »Immer mit der Ruhe«, mahnte er. »Keine übereilten Aktionen.«

    Baasteuwel öffnete die Arme zu einer Geste der Ohnmacht und ließ sich im Sessel zurücksinken. Moreno überlegte kurz, ob er oft zu übereilten Aktionen neigte, und wenn ja, was dabei herauskäme. Kohlers Bemerkung schien jedenfalls nicht unberechtigt gewesen zu sein, da Baasteuwel keinerlei Widerspruch erhob.
    »Wir müssen den Fall untersuchen«, erklärte Kohler. »Natürlich müssen wir das. Aber ich habe vor, dabei eine gewisse Diskretion walten zu lassen. Oder glaubt hier irgendwer, es könnte etwas bringen, wenn wir Vrommel sofort an die Wand stellen?«
    Moreno überlegte. Das taten auch Vegesack und Baasteuwel, es war ihnen anzusehen. Wenn sie das richtig beurteilte, dann hatte niemand auch nur das Geringste an der Vorstellung auszusetzen, sich über den Polizeichef herzumachen, ihm eine 500-Watt-Lampe ins Gesicht zu richten und ein ganzes Arsenal an Anklagen loszuwerden.
    Sie selber empfand genauso, aber das bedeutete natürlich nicht, dass Kohlers Taktik nicht doch vorzuziehen wäre. Er hat Recht, dachte sie. Vrommel ist sicher kein Dummkopf, auch wenn er ein Arsch ist. Oder ein Stinktier. Besser, wir bringen ein wenig Geduld auf und haben dadurch die Chance, noch das ein oder andere herauszubekommen.
    Wobei unklar war, was, aber wenn es etwas gab, woran sie inzwischen gewöhnt waren, dann doch Unklarheiten.
    Baasteuwel fasste ihre Gedanken in Worte.
    »Alles klar«, sagte er. »Wir geben dem Mistkerl noch zwei Tage. Kann ja auch nett sein, ihn mit unserem neuen Wissen im Hintergrund zu beobachten.«
    Vegesack nickte. Moreno und Kohler nickten.
    »Dann ist das also abgemacht«, schloss Kohler. »Und was jetzt? Vielleicht sollten wir unser Vorgehen ein wenig planen?«
    »Möchte ich meinen«, sagte Baasteuwel. »Aber was zum Teufel sollen wir tun? Alle, die Urlaub haben, sollen sich lieber ein Eis kaufen, wenn sie wollen.«

34
    Am Nachmittag siedelte sie zu Selma Perhovens über. Ein Versprechen war schließlich ein Versprechen, und ihr Zimmer im Dombrowski war ab dem Abend schon für neue Gäste reserviert, das hatte die Wirtin ihr energisch klargemacht.
    Selma Perhovens schien ihr Angebot auch nicht zu bereuen, als sie morgens bei ihr angerufen hatte. Im Gegenteil. Frauen müssen zusammenhalten, meinte sie, und das Mindeste, was sie einander anbieten könnten, sei in der Stunde der Not ein Dach über dem Kopf. Außerdem hätten sie sicher eine Menge zu besprechen.
    Das glaubte Moreno auch, und deshalb nahm sie den Abstellraum ohne große Bedenken in Besitz. Selma Perhovens nannte das Zimmer so. Abstell- und Gästeraum. Ihre Wohnung lag in der Zinderslaan und war groß, alt und gemütlich; vier Zimmer und Küche und hohe Wände — viel zu viel für eine ziemlich kleinwüchsige Mutter und ihre schlaksige Tochter, aber sie hatte die Wohnung im Zusammenhang mit ihrer Scheidung erobert, und da fackelt frau ja wohl nicht lange, oder?
    Die Tochter hieß Drusilla, war fast zwölf Jahre alt und schien ungefähr doppelt so viel Energie zu besitzen wie ihre Mutter. Was ja nicht gerade wenig war. Als Moreno über die Schwelle getreten war, hatte Drusilla sie sorgfältig von Kopf bis Fuß gemustert und dann strahlend gelächelt.
    »Soll die hier wohnen?«, hatte sie gefragt. »Klasse.«
    Moreno begriff, dass sie nicht der erste unerwartete Gast im
Abstellraum war. Während eines zweistündigen Wolkenbruchs spielte sie mit Drusilla Karten, sah fern und las Comics. Nicht nacheinander, sondern simultan. Alles auf einmal. Es sei zu öde, einfach in die Glotze zu schauen, fand Drusilla. Oder nur Karten zu spielen. Sie musste daneben noch was zu tun haben.
    In dieser Zeit saß Selma Perhovens in ihrem Zimmer und schrieb; sie musste um halb fünf zwei Artikel fertig haben, und sie bat um Entschuldigung für ihr Versagen als Gastgeberin, aber frau fackelt eben nicht lange, wie gesagt.
    Sie war leider auch abends ausgebucht, und gegen fünf Uhr verschwand sie zusammen mit Drusilla und überließ Moreno ihrem Schicksal. Sie würden wohl gegen elf zurück sein.
    Falls nicht vorher oder später.
    »Du kannst doch ein paar Tage länger bleiben«, schlug Drusilla vor, ehe sie ging. »Ich fahre erst nächste Woche zu meinen Kusinen, meine Freundin ist auf Ibiza, und Mama ist so doof, wenn sie nur arbeitet.«
    »Wir werden sehen«, versprach Moreno.
     
    Als sie dann allein war, nahm sie ein Bad.

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