Der Tote vom Strand - Roman
aufgesucht hat. Eine Woche darauf wird er ermordet aus dem Sand ausgegraben. Es ist natürlich ein unerhörter Zufall, dass er überhaupt gefunden wurde, andererseits hätte der Mörder sich auch etwas mehr Mühe geben und tiefer graben können... oder was meint ihr?«
Kohler nickte.
»Der Kopf lag sogar ziemlich weit oben. Der Wind hätte ihn früher oder später sicher freigelegt, wenn das nicht die Zehen der Badegäste übernommen hätten.«
Baasteuwel erhob sich.
»Und das alles«, sagte er, »die ganze Sache mit Vera Sauger hat also der Herr Polizeichef für sich behalten? Was zum Teufel soll das heißen? Abgesehen davon, dass Vrommel ein Arsch ist. Ich muss kurz rauchen. Draußen?«
Vegesack nickte, und Baasteuwel ging auf den Balkon.
»Was immer hinter der ganzen Sache stecken mag«, erklärte Moreno. »Auf jeden Fall ist klar, dass Vrommel falsch spielt. Er will in dieser alten Geschichte nicht herumwühlen. Will nicht, dass ein Zusammenhang zwischen dem Fall Maager und der Leiche vom Strand bekannt wird. Warum, weiß ich nicht, aber es liegt doch auf der Hand, dass damals, vor sechzehn Jahren, nicht alles mit rechten Dingen zugegangen ist. Sagt Bescheid, wenn ihr meint, dass ich mich irre.«
»Gibt es noch mehr?«, fragte Kohler. »Mehr Dinge, die nicht so sind, wie sie sein sollten?
Moreno dachte nach.
»Bestimmt«, sagte sie dann. »Aber wir wissen noch nicht, was. Ich habe auch mit dem Arzt gesprochen, der Winnie Maas damals obduziert hat, und seine Reaktion fiel überraschend heftig aus, das muss ich schon sagen. Aus irgendeinem Grund war er stocksauer — als hätte ich seine Ehre und seine Glaubwürdigkeit angezweifelt. Nur, weil ich ein paar einfache Fragen stellen wollte. Ich hatte aber noch keine einzige angebracht, als er auch schon hochgegangen ist.«
»Hört sich an wie eine verdammte Verschwörung«, sagte Kohler. »Irgendwas soll da wohl unter den Teppich gekehrt werden. Hat sich schon irgendwer die alten Gerichtsprotokolle angesehen? Hat es da irgendwo Unklarheiten gegeben?«
»So weit bin ich noch nicht gekommen«, seufzte Moreno. »Vergiss nicht, dass ich Urlaub habe.«
»Hmpf«, sagte Kohler und gestattete sich etwas, das Ähnlichkeit mit einem melancholischen Lächeln hatte.
Baasteuwel kehrte von seiner Rauchpause zurück. »Was glaubt ihr eigentlich?«, sagte er und ließ seine Blicke zwischen Moreno und Vegesack hin- und herwandern. »Ich hatte ja nur eine schnöde Zigarettenlänge Zeit zum Nachdenken und muss schon sagen, dass mir das alles zu hoch ist ... und für die, die mich nicht gut kennen, muss ich hinzufügen, dass das nur selten vorkommt.«
Er schnitt eine Grimasse und ließ sich in den Sessel sinken. Moreno zögerte zunächst, ehe sie zu einer Antwort ansetzte.
»Ich glaube«, sagte sie, während sie eilig versuchte, ihr Visier herunterzuklappen und nicht zu viel zu sagen, »ich glaube, dass die Dinge 1983 nicht so einfach gelegen haben, wie behauptet wird. Und dass Polizeichef Vrommel ... vermutlich zusammen mit anderen ... dafür gesorgt hat, dass allerlei unter den Teppich gekehrt wurde. Oder etwas auf jeden Fall. Ich weiß nicht, was, und ich weiß nicht, warum. Ich glaube auch, dass es hier in der Stadt Leute gibt, die dieses Wissen sechzehn Jahre lang gehortet haben und dass Tim Van Rippe zu ihnen gehört hat. Und
dass er umgebracht worden ist, damit er auch jetzt nichts sagen kann ... ja, so ungefähr stelle ich mir das vor.«
»Hm, ja«, murmelte Baasteuwel. »Und wie zum Teufel konnte dieser Mörder wissen, dass die Kleine Van Rippe gerade an diesem Tag aufsuchen wollte?«
Moreno schüttelte den Kopf.
»Keine Ahnung«, sagte sie. »Aber Mikaela Lijphart hat sicher allerlei Wirbel verursacht, ehe sie sich in Luft aufgelöst hat. Sie hat sich ja auch mit Winnie Maas’ Mutter und mit Vera Sauger getroffen. Vielleicht auch noch mit anderen, aber da niemand sich die Mühe gemacht hat, der Sache genauer nachzugehen, wissen wir das noch nicht. Vera hat mir ja außer dem von Tim Van Rippe noch einen Namen gegeben — den eines gewissen Claus Bitowski. Ich habe heute schon einige Male versucht, ihn zu erreichen, aber bei ihm meldet sich niemand.«
»Du meinst also ...«, fragte Baasteuwel, verstummte dann aber für einen Moment. »Du meinst also, dass auch er irgendwo am Strand vergraben liegt? Dieser Bitowski? Ist das die Hypothese, die sich zwischen den Zeilen versteckt?«
Moreno zögerte und schaute von einem zum anderen. »Ich habe keine
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