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Der Tote von der Isar: Kriminalroman (German Edition)

Der Tote von der Isar: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Der Tote von der Isar: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schmitter
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Blick hinter die Fassade zeigte wenige ungleichmäßige Ziegel, viel Sand und etwas, das wie Zeitungspapier aussah. Es schien ein Wunder zu sein, dass dieses Haus überhaupt noch stand.
    Batzko wies auf die anderen Häuser in der Straße. Nur wenige waren in einem vergleichbaren Zustand, die Mehrzahl hingegen sehr nett anzusehen, von Grund auf saniert, in frischen Farben gestrichen, mit Blumenkästen auf den Fensterbänken. In diesem Kontrast wirkten sie so putzig wie Knusperhäuschen.
    »In dieser Straße bin ich groß geworden«, sagte Batzko, ohne Gerald anzusehen, »als alle Häuser noch so aussahen wie dieses Wrack, vor dem wir stehen. Das hier ist die so genannte Feldmüllersiedlung. Sagt dir nichts, ich weiß, wäre auch ein Wunder. In der Mitte des 19. Jahrhunderts hat eine Frau namens Therese Feldmüller, der das Areal gehörte, einzelne kleine Parzellen an Handwerker verkauft. Mein Urgroßvater hat sich mit eigenen Händen sein Häuschen gebaut, ohne Bad, die Toilette außerhalb des Wohnbereichs, einfach ein paar Mauern hochgezogen, ein Dach drauf und fertig. Mein Großvater hätte es ausbauen sollen, aber der hat lieber gesoffen als gearbeitet, und mein Vater hat dann nur noch gesoffen.«
    Batzkos Blick war in sich gekehrt. Seine Kiefer mahlten gegeneinander. Er sprach, ganz gegen seine Gewohnheit, so leise, dass Gerald ihn kaum verstehen konnte. »Es war so zugig, dass man im Winter jeden Tag eine Waggonladung Kohle hätte verheizen können und wir immer noch gefroren hätten. Ich bin mit der Vorstellung aufgewachsen, dass Häuser keine Badezimmer haben. Ich wusste nicht einmal genau, was ein Badezimmer eigentlich ist und wozu man es braucht. Man wäscht sich über der Spüle, und einmal in der Woche werden für die ganze Familie ein paar Eimer Wasser auf dem Ofen heiß gemacht und in eine Wanne gekippt. Blasenentzündungen sind so normal wie ein Schnupfen, weil die Toilette ein Häuschen auf dem Hof ist.«
    Er hielt inne, schüttelte beinahe unmerklich den Kopf und sagte dann: »Das war sie, meine Kindheit. Ich hab sie überwunden, mein Bruder nicht. Warum war es nicht umgekehrt? Wer oder was bestimmt, wie dein Leben verläuft. Weißt du es?«
    Aber bevor Gerald überhaupt zu einer Antwort ansetzen konnte, drehte sich Batzko auf dem Absatz um und ging denselben Weg zurück. Er ging rasch, immer drei Schritte voraus.
    Schweigend fuhren sie ins Präsidium zurück.
    »Also, wie machen wir weiter?«, meinte Batzko, als sie vor einer Tasse Kaffee in ihrem Büro saßen. Es war eine rhetorische Frage, denn er fuhr fort, ohne auch nur Luft zu holen. »Die Spurensicherung wird sich die Wohnung gründlich vornehmen. Über Baumanns Handy werden wir erfahren, mit wem er vor der Tat telefoniert hatte. Wir wissen über die Kirmeier, dass höchstwahrscheinlich mehrere Personen dort … nun ja, ihre Wochenenden verbracht haben. Sie haben sich aber noch nicht bei uns gemeldet. Warum? Dann werde ich von den Kollegen in Giesing die Wohnung beobachten lassen, vielleicht treffen sich die anderen ja weiterhin dort. Die Kollegen sollen auch die anderen Hausbewohner befragen. Ich werde herausfinden lassen, wem das Haus oder die Wohnung eigentlich gehört. War Baumann der Mieter? Wenn ja, haben seine Frau und seine Sekretärin davon wirklich nichts gewusst?«
    Er hielt inne und zeigte mit der Spitze eines Kugelschreibers auf Gerald.
    »Und ich schreibe den Bericht und halte die Pressesprecherin auf dem Laufenden.«
    »Du hast es erfasst«, sagte Batzko.
    Ein uniformierter Kollege betrat den Raum. »Da seid ihr ja endlich wieder.« Er hielt ein Schreiben hoch, das sich in einer Klarsichthülle befand. »Das kam heute mit der Post. Der Briefumschlag ist dabei. Wir haben zuerst gedacht, das wäre für den Papierkorb, aber bei dem Namen hat es natürlich geklingelt. Ihr werdet euren Spaß damit haben.«
    Er legte das Schriftstück auf Batzkos Schreibtisch und verließ das Zimmer.
    » WIR SUCHEN EUCH . WIR FINDEN EUCH . WIR STRAFEN EUCH .«
    Batzko legte die Stirn in Falten. »Und das war erst die Überschrift. Was da wohl noch kommt?«
    Er las weiter:
    WIR SUCHEN EUCH, ihr brutalen Vollstrecker des Turbo-Kapitalismus, ihr Folterknechte des Bankenkapitals, ihr Vernichter von Arbeit und Menschenwürde.
    WIR FINDEN EUCH, ihr feigen Maden in der Speckschicht eines Wirtschaftssystems, das die Reichen immer reicher und die Armen immer zahlreicher macht, das dafür sorgt, dass in dieser Stadt und in diesem Land bald niemand mehr von einer

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