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Der Toten tiefes Schweigen

Der Toten tiefes Schweigen

Titel: Der Toten tiefes Schweigen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Hill
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Sommer genistet hatten. Sie hatten die Löcher im Dach gefunden. Er war über die alte Feuerleiter hinten heraufgekommen. Er trug Turnschuhe mit dicken Schaumstoffsohlen. Keine Fußabdrücke.
    Es roch nach Holz, Staub und Trockenheit. Vorn am provisorischen Zaun hing ein Schild mit der Aufschrift ZU VERKAUFEN . BAULAND . Halb Lafferton. Die alte Bortenfabrik. Die Gebäude am Kanalufer. Das alte Munitionslager. Jetzt das hier. Lafferton veränderte sich. Apartments, Boutiquen, schicke Büros.
    Ihm war das gleich. Er war nicht sentimental. Ohnehin nicht hier geboren. Nicht einmal in der Nähe. So war es sicherer.
    Er war vor drei Tagen hier heraufgekommen, zur selben Zeit. Hatte auf eine leere Straße hinuntergeschaut. Hin und wieder ein Auto, aber der Kornspeicher stand nicht an einer Straße, die irgendwohin führte, und dieser Randbezirk der Stadt war noch immer heruntergekommen. Nicht mehr lange. Aber jetzt. Das passte.
    Er ließ die Tür hinter sich offen stehen.
    Er hatte den Lauf bereits zweimal geprobt, leise über den offenen Dachboden des Kornspeichers, durch die Tür schlüpfen, sie schließen, ein Seil über der Feuerleiter gesichert. Schnellstens. Er war gut an Seilen – niemand wusste das –, Seile und Schwebebalken, seit er sieben oder acht war. Klein. Flink. Kräftige Arme.
    Hinter dem alten Gebäudekomplex gab es zwei Wege, die er nehmen konnte. Der Pfad, der zum Kanal führte, überwuchert, Bäume und Büsche als Hindernisse. Daher hatte er sich mehrmals hindurchgezwängt. Er würde diesen Weg wählen, eine schmale Spur hindurchziehen, dann am Treidelpfad entlanglaufen. Leicht. Der andere Weg war ein Kiespfad, der zur Straße führte.
    Der Lieferwagen stand in der nächsten Straße, Foster Road, etwa in der Mitte.
    D. F. STOKES . KLEMPNER . HEIZUNGSMONTEUR . EINGETRAGEN IM HANDWERKSREGISTER . 07   765 400 119 .
     
    Im ganzen Haus verkleideten sich Mädchen. Miniröcke, Schwesternschürzen, Schulblusen, St.-Trinian-Krawatten. Claire Pescod war Lady Godiva, die eigenen Haare verlängert, fleischfarbenes Trikot. Ihre künftige erste Brautjungfer war als Vikarin verkleidet, ein anderes Mädchen als Cowgirl. Kreischend balgten sie sich um den Spiegel.
    Claires Mutter lachte. »Ich habe meinen Junggesellinnenabschied im Pub gefeiert. Dein Dad und sein Trauzeuge tauchten auf, kurz bevor geschlossen wurde.«
    »Mum!«
    »Es spielte keine Rolle. Wir hatten unseren Spaß.«
    »Den haben wir auch. Wann kommt die Limousine?«
    »Zehn vor acht.«
    »Zu früh.«
    »Mum, Page sagt, zehn vor acht ist zu früh.«
    »Tja, das ist jetzt nicht mehr zu ändern.«
    »O Gott.«
    So ging es weiter, Wimperntusche, Glitter, Lippenstift. Tattoos. Aufkleber mit »Claire heiratet«.
    Sieben. Halb acht.
    »Gute Güte!« Claires Vater umrundete sie in der Diele. »Kommt mir nicht zu nahe, ich stinke nach Öl.« Ab in die Dusche. »Viel Spaß, Mädels. Und benehmt euch.«
    Die halbe Straße war draußen, um die Limousine zu sehen. Weiß. Schwarze Fenster. Champagner. Konfetti. Chauffeur.
    »Benehmt euch.«
    »Seid anständig.«
    »Seid vorsichtig.«
    Die Limousine setzte langsam und würdevoll, Zentimeter um Zentimeter, rückwärts in die Straße. Autos blieben stehen. Hupten. Ein Mann stieg von seinem Fahrrad. Ein Schäferhund drehte an seiner Leine schier durch.
    Champagner.
    »Auf dich, Süße.«
    Sie überschütteten sie mit Rosenblättern, die sie in Röcken und Taschen versteckt hatten, dann hinein in den Wagen, kreischend, schauten durch verdunkelte Fenster hinaus auf Lafferton.
     
    Er hatte zwei Stunden gewartet. Ruhig. Unbesorgt. Hin und wieder die Visierlinie durch den Spalt ein paar Zentimeter links von einem der vernagelten Fenster überprüft. Die Bretter vor den Fenstern waren gespalten und von Würmern zerfressen. Er hatte sich nichts zu essen mitgenommen, eine einzige Getränkedose, die er, als sie leer war, zusammendrückte und in die Tasche steckte.
    Es war warm. Gemütlich. Er war wachsam. Bereit. Angespannt, aber nicht nervös.
    Ab und zu hatte er den Dachboden der Länge nach abgeschritten und war wieder zurückgekommen.
    Zunächst war alles ruhig gewesen, doch in der letzten halben Stunde war es draußen lebhaft geworden. Das
Seven Aces
öffnete um acht. Die Leuchtstofflampen und Neonröhren am Club, an den Tafeln und Reklameschildern gingen an. Der Bürgersteig wurde blau und grün. Gesichter waren orange. Er hatte alles bis auf die Sekunde berechnet. Nahm das Gewehr aus dem Versteck hinter den

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