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Der Toten tiefes Schweigen

Der Toten tiefes Schweigen

Titel: Der Toten tiefes Schweigen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Hill
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knapp beantwortet.
    Jetzt starrte sie die Nachricht auf dem Display an.
     
    Während sie zum Wagen ging, schrieb sie eine SMS . Eine Mitteilung an Chris, sie sei auf dem Weg ins Hospiz:
    Hol das Curry aus der Gefriertruhe.
    Wie sehr wollte ein Arzt recht behalten, wenn das für den Patienten eine Krankheit im Endstadium und den Tod bedeutete? Wie sehr hatte Cat sich gewünscht, Karin möge sich irren, total und absolut und gründlich irren, und trotzdem geheilt werden? Was hätte ihre Mutter gesagt? Sie sehnte sich danach, es zu erfahren, doch Meriels Bild stand ihr nicht mehr lebhaft vor Augen. Meriel war verblasst. Sie überließ es Cat, diese Angelegenheit allein durchzustehen. »Du brauchst mich nicht«, hörte sie ihre Mutter sagen.
    O Gott, doch, dachte Cat, während sie dort stand und sich fürchtete, ins Hospiz zu fahren, weil sie nicht herausfinden wollte, was mit Karin los war. Der letzte, dünne Rauch des verbrannten Laubes stieg ihr in die Nase.
     
    Imogen House. Auch hier hatte es Veränderungen gegeben. Der neue Flügel war fertiggestellt, die alte Oberschwester war pensioniert, zwei andere Schwestern, die Cat gut gekannt hatte, waren weggezogen, neue hatten angefangen. Doch Lois, zum Nachtdienst am Empfangstresen, war noch immer da und begrüßte Cat mit freudiger Miene und einer warmherzigen Umarmung. Lois war das erste Gesicht des Hospizes, wenn Patienten nachts eingeliefert wurden, ängstlich und schwerkrank. Lois hieß die Verwandten willkommen, die voller Sorge und in Not waren, Lois kümmerte sich darum, dass alle sich wohl fühlten, sicher und in liebevollen Händen, Lois war fröhlich und positiv eingestellt, aber niemals zu munter, Lois erinnerte sich an alle Namen und fing Furcht und Entsetzen auf, so gut es ging.
    »Karin McCafferty?«, fragte Cat.
    »Kam vorige Woche her. Sie wollte niemanden sehen, aber heute Nachmittag hat sie gefragt, ob Sie wieder im Lande seien.«
    »Wie geht es ihr?«
    Lois schüttelte den Kopf. »Seien Sie auf alles gefasst. Doch es ist mehr als ihr körperlicher Zustand, der jetzt sogar besser ist, nachdem man ihre Schmerzmittel richtig eingestellt hat. Sie wirkt ziemlich wütend. Ich würde sagen, sehr verbittert. Niemand kommt an sie ran. Vielleicht haben Sie ja Glück.«
    »Mag sein. Ich kann mir vorstellen, was sie wütend macht. Allerdings bin ich überrascht, dass sie mich sehen will – Karin ist sehr stolz, sie will das Gesicht nicht verlieren.«
    Das Telefon klingelte. »Die Menschen«, sagte Lois zu Cat, bevor sie abhob, »verhalten sich unberechenbar. Das wissen Sie so gut wie ich. Man kann nicht voraussagen, wie es jemanden treffen wird. Sie liegt in Zimmer sieben.«
    »Imogen House, guten Abend, Sie sprechen mit Lois.«
     
    Das Gefühl der Ruhe und des Friedens, das Cat stets hatte, wenn sie nachts durch die stillen Korridore des Hospizes ging, überkam sie, als sie den Empfangsbereich verließ, obwohl aus einigen Stationen Stimmen zu hören waren und Lampen brannten. Wie man auch zum Tod eingestellt sein mochte, dachte Cat, niemand konnte von dieser Atmosphäre hier unbeeindruckt bleiben, keine Hast, weder Lärm noch Geschäftigkeit, dem unausweichlichen Bestandteil jedes anderen Krankenhauses.
    Sie bog in den Flügel B ab. Hier waren die Zimmer fünf bis neun um einen kleinen zentralen Bereich herum angeordnet, in dem Lehnstühle und kleine Tische standen; Doppeltüren führten auf eine Terrasse und in den Garten. Patienten, denen es gut genug ging, saßen tagsüber hier oder wurden in Rollstühlen und sogar Betten hinausgeschoben, um das Wetter zu genießen, sobald es schön war. Aber jetzt waren die Türen geschlossen, und der Raum war leer.
    Zumindest hatte es den Anschein. Doch als Cat auf Zimmer sieben zuging, sagte jemand: »Ich bin hier.«
    Karin McCafferty saß auf dem Stuhl, der den verdunkelten Fenstern am nächsten stand. Er hatte eine hohe Rückenlehne und war abgewandt, dem Garten zu. Cat merkte, dass sie Karin nicht nur deshalb übersehen hatte, sondern weil sie, die nie von großer Gestalt gewesen war, nun wie ein kleines Kind wirkte, das sich auf dem Stuhl zusammengerollt hatte.
    Cat ging hinüber und hätte sich vorgebeugt, um ihre Freundin zu umarmen, doch Karin wich vor ihr zurück und ging auf Abstand.
    »Ich hatte Angst, ich würde sterben«, sagte sie, »bevor du nach Hause kommst.«
    Während sie Karin im Schein einer Wandleuchte betrachtete, begriff Cat, dass das gut hätte sein können. Sie bestand nur noch aus Haut und

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