Der Totenerwecker (German Edition)
zu arbeiten, fand aber nicht richtig hinein und gab auf, nachdem sie zwei Seiten geschrieben und anschließend gelöscht hatte. Danach postierte sie sich am Fenster, um die Nachbarn auszuspionieren.
Sie beobachtete unter anderem, wie eine Lateinamerikanerin mit atemberaubenden Beinen und Brüsten, die genauso voll und fest waren wie Sarahs, einen Geschäftsmann in einem zerknitterten Anzug mit in ihr Zimmer nahm. Der Kerl schaute sich nervös um, ob ihn auch niemand in Begleitung der Frau über den Hof gehen sah. Mit ziemlicher Sicherheit handelte es sich um eine Prostituierte, die im Motelzimmer ihre Freier bediente. Sarah sah Kindern beim Fußball- und Frisbeespielen zu und Müttern, die Unmengen an Wäsche und Einkäufen nach Hause trugen. Dann hatte das Paar zu streiten begonnen, und alle auf dem Hof waren stehen geblieben, um sie dabei zu beobachten.
Sarah hatte Angst. Eine schlimmere Zeit, um allein in einem fremden Motelzimmer herumzusitzen, konnte sie sich kaum vorstellen. Sie nahm ihr Handy und wählte die 11, um Detective Lassiter zu kontaktieren. Es läutete fünfmal, dann meldete sich die Mailbox:
»Hallo. Dies ist der Anschluss von Detective Trina Lassiter vom North Las Vegas Metropolitan Police Department. Leider bin ich im Moment nicht zu erreichen. Bitte hinterlassen Sie Ihren Namen, Ihre Nummer und eine kurze Nachricht. Ich rufe Sie zurück, sobald ich kann.«
Sarah legte auf und wählte noch einmal. Wieder klingelte es fünfmal.
»Hallo. Dies ist der Anschluss von Detective Trina Lassiter vom North Las Vegas ...«
Sarah unterbrach die Verbindung und schleuderte das Telefon aufs Bett. Ihr Blick fiel auf ihre Laufschuhe, und sie seufzte. Eigentlich war ihr noch nicht wieder nach Joggen zumute, aber es machte sie wahnsinnig, die ganze Zeit in diesem Zimmer zu hocken. Sie schnappte sich die Schuhe und setzte sich auf die Bettkante. Sarah überlegte, Josh anzurufen, um ihm zu sagen, dass sie eine Runde laufen ging, für den Fall, dass er sich meldete und sie nicht erreichte. Aber sie wusste, dass sein Handy wahrscheinlich in seinem Spind im Umkleideraum lag – bis er die Nachricht abgehört hatte, würde sie längst zurück sein. Aber sie konnte es noch einmal bei Lassiter versuchen. Sie nahm das Mobiltelefon und tippte die Kurzwahl ein. Wieder hörte sie die Ansage der Mailbox, doch diesmal hinterließ sie eine Nachricht.
»Hallo, Trina, hier ist Sarah Lincoln. Ich wollte nur kurz Bescheid sagen, dass ich joggen gehe. Nur damit Sie sich keine Sorgen machen, wenn Sie anrufen oder vorbeikommen und ich nicht da bin. Ich komme in etwa einer Stunde zurück. Jetzt ist es kurz vor sechs. Ich rufe Sie dann an.«
Danach wählte sie die Nummer von Malcovich. Auch er ging nicht ran. Möglicherweise waren sie beide gerade in einer Besprechung oder arbeiteten an einem Fall, nahmen einen Termin vor Gericht wahr oder was Cops sonst so taten, wenn sie nicht gerade Frauen vor übersinnlichen Sexualmördern beschützten. Auch ihm hinterließ sie eine kurze Mitteilung.
»Hallo, Harry. Hier ist Sarah Lincoln. Ich wollte nur sagen, dass ich joggen gehe, nur für den Fall, dass Sie hier vorbeischauen. Ich bin um sieben zurück. Jetzt ist es sechs.«
Sarah legte auf, nahm ihre Schlüssel und verließ das Apartment. Dummerweise hatte sie vergessen, ihre Trinkflaschen einzupacken. Aber an ihren GPS-Laufcomputer hatte sie gedacht. Sie schaltete ihn ein und wartete, bis er die Verbindung zum Satelliten aufnahm. Schnell gab sie einen Zehn-Kilometer-Kurs ein und lief los, die Tropicana entlang, weg vom Boulevard. Sie kam an einem Sexshop vorbei und verdrängte den Gedanken, wie lange sie schon nicht mehr mit ihrem Mann geschlafen oder gar etwas Ausgefallenes mit ihm angestellt hatte. Ob sie je wieder einen solchen Laden betreten konnte, ohne daran zu denken, was dieser Perverse mit ihr gemacht hatte? Sie joggte auf das Orleans Hotel zu und wäre fast überfahren worden, als sie die Arville Street überquerte. Einen Block weiter gab es noch ein Spezialgeschäft für Sexspielzeug und -kleidung. Sarah war nie aufgefallen, wie viele dieser Läden in Las Vegas existierten. Wahrscheinlich war es wie mit dem Rauchen: Es fiel einem erst auf, wie viele Raucher es in der Stadt gab, wenn man selbst damit aufhörte und sich ständig vom Qualm belästigt fühlte. Denn so fühlte sie sich jetzt – belästigt von all dem kommerzialisierten Fetischsex.
Den neuen Strip-Club, der gerade erst gegenüber vom Orleans Hotel eröffnet hatte,
Weitere Kostenlose Bücher