Der Totengarten
wann ich das letzte Mal auf einer richtigen Party gewesen bin. Dabei hätte ich mich vor gar nicht allzu langer Zeit in Sachen Aussehen mit Ihnen messen können. Doch, wirklich, ich hatte das gewisse Etwas. In den 8oern haben sie mich als Undercover-Ermittlerin in Clubs geschickt, wo sich die Drogenbosse rumtrieben. Ich rede von der R Street Crew, Mr. Edmond und denen.
Weil meine Vorgesetzten wussten, dass junge Männer mit Geld in der Tasche sich für mich interessieren würden. Wenn ich heute über die Straße gehe, dreht sich keiner nach mir um. So schnell ist die Schönheit dahin, Schätzchen. Und was bleibt Ihnen dann?
Ich will es Ihnen sagen. Was Ihnen bleibt, sind die Menschen, die Sie lieben und die Sie auch lieben. Wenn ich meine Söhne ansehe, bereue ich keine Minute, die ich mit ihnen verbracht habe. Es stört mich nicht einmal, was ich im Spiegel sehe, denn ich weiß, dass es letztendlich nicht viel bedeutet. Das, worum es mir wirklich ging, war nie dieser Job oder das feste Gehalt oder irgendetwas, das man kaufen kann. Ich wollte immer nur meine Söhne großziehen. Wissen, dass sie im Herzen immer bei mir sein werden. Verstehen Sie, was ich meine?«
»Weiter so, Rhonda«, murmelte Ramone, der die Szene gespannt auf dem Monitor verfolgte.
»Sie haben jetzt die Gelegenheit, eine andere Richtung einzuschlagen«, sagte Rhonda. »Fangen Sie ein geregeltes Leben an und seien Sie Ihrem Baby eine richtige Mutter. Ziehen Sie den Kleinen selbst auf, so wie Ihre Eltern es mit Ihnen getan haben. Kehren Sie den Männern, mit denen Sie bisher zu tun hatten, den Rücken und fangen Sie noch einmal ganz neu an. Wir können Ihnen dabei helfen. Wir haben ein Zeugenschutzprogramm. Sie würden eine neue Wohnung bekommen, weit genug weg von Ihrem früheren Umfeld. Wir ermöglichen Ihnen einen Neuanfang.«
»Ich weiß nichts«, behauptete Darcia. Die Aschen spitze an ihrer Zigarette war länger geworden. Sie hatte vergessen zu rauchen und die Asche abzuklopfen.
»Wie wollen Sie diesen Mann schützen? Er sitzt jetzt gerade in einem anderen Vernehmungsraum und versucht, Sie ans Messer zu liefern.«
»Nein, das glaube ich nicht.«
»Machen Sie sich nichts vor. Denken Sie etwa, dass er Sie wirklich liebt? Das erzählt dieser Held doch auch Shaylene und all den anderen Mädchen, die er vögelt und von denen er abkassiert. Ist Ihnen das nicht klar? Und jetzt sitzt er nebenan und behauptet, dass es Ihre Idee war, Jamal umzubringen.«
»Das ist nicht wahr.«
»Wahr oder nicht, so wird er aussagen. Mag sein, dass er den Abzug gedrückt hat, aber vor Gericht wird er glimpflicher davonkommen, wenn der Plan nicht von ihm stammte.«
»Ich wollte nicht, dass Jamal etwas zustößt. Warum sollte ich?«
»Ich weiß es nicht. Erzählen Sie es mir.«
»Jamal war in Ordnung.«
»Erzählen Sie es mir, Darcia. Sie können es. Sie sind keine Mörderin. Sie haben einen guten Kern, das sehe ich in Ihren Augen, so wie in den Augen Ihrer Mutter. Man wird Sie wegen Beihilfe zum Mord anklagen, und dann kommen Sie für lange Zeit hinter Gitter, und wofür? Sie haben niemandem etwas getan. Dazu wären Sie gar nicht fähig. Das weiß ich.«
Eine Träne lief über Darcias rechte Wange.
»Reden Sie mit mir«, beschwor Rhonda sie. »Nur so kann ich Ihnen helfen. Ich weiß, dass Sie das Leben leid sind, das Sie führen. Stimmt’s?«
Darcia nickte.
»Sagen Sie mir, wie es gewesen ist«, bat Rhonda noch einmal.
Darcia drückte ihre Zigarette aus und sah zu, wie sich der Rauch über dem Alublech kringelte.
»Jamal hat mir an dem Abend eine Rose mitgebracht«, sagte sie. »Weiter nichts. Das war sein ganzer Fehler.«
»Und was ist dann geschehen?«
»Ich habe mich an der Bar mit ihm unterhalten, und Dominique hat gesehen, wie Jamal mir die Rose gegeben hat. Nicht dass Dominique eifersüchtig war oder so, aber er wusste, dass Jamal und ich …«
»Jamal war kein Freier. Er war Ihr Freund.«
»Ich hätte von Jamal niemals Geld angenommen. Das hat Dominique wütend gemacht. Aber ich konnte Jamal nicht so sehen. Er war so nett.«
»Hatten Jamal und Dominique im Twilight Streit?«
»Dominique wollte ihn einschüchtern, aber Jamal hat sich von ihm nichts sagen lassen. Das hat alles noch schlimmer gemacht. Dann ist Jamal gegangen. Ich wusste, mit welchen Bussen er immer gefahren ist, ich wusste, wie er von der Haltestelle nach Hause ging. Dominique hat mich danach gefragt, und ich musste mit ihm kommen. Ich hatte Angst, nein zu sagen. Ich konnte
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